Autor Thema: nett geschrieben - nett zu lesen  (Gelesen 159416 mal)

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Yossarian

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Re: nett geschrieben - nett zu lesen
« Antwort #135 am: 07. Mai 2013, 11:38:53 »
Es tut mit leid, aber das hier

Zitat
Die moralische Unterstellung, er hätte sich auch anders entscheiden können, beruht auf einer Illusion

ist einfach Unfug.

Die Unterstellung, daß sich jemand hätte anders entscheiden können, hat nichts mit Moral zu tun, sondern ausschließlich mit Handlungsfreiheit. Und die war einem wie Eichmann auf jeden Fall insoweit gegeben, als er seinen Job ohne Gefahr für sich selbst hätte hinschmeißen und was anderes machen können.

An die Erkenntnis, daß das eigene bequeme Leben nicht über das Leben von tausenden von Menschen steht, muß man nicht wirklich (hohe) moralische Anforderungen stellen.

Conte Palmieri

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Re: nett geschrieben - nett zu lesen
« Antwort #136 am: 07. Mai 2013, 11:41:07 »
An die Erkenntnis, daß das eigene bequeme Leben nicht über das Leben von tausenden von Menschen steht, muß man nicht wirklich (hohe) moralische Anforderungen stellen.
Aber auf jeden Fall moralische.


Offline Teppichporsche

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Re: nett geschrieben - nett zu lesen
« Antwort #137 am: 07. Mai 2013, 11:43:17 »
...
ist einfach Unfug.

Die Unterstellung, daß sich jemand hätte anders entscheiden können, hat nichts mit Moral zu tun, sondern ausschließlich mit Handlungsfreiheit.

Ja. Offensichtlich ist der Mann nicht besonders sorgfältig in seiner Wortwahl. Oder er rafft es halt nicht.
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Groucho Marx

Offline Teppichporsche

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Re: nett geschrieben - nett zu lesen
« Antwort #138 am: 07. Mai 2013, 11:49:50 »
An die Erkenntnis, daß das eigene bequeme Leben nicht über das Leben von tausenden von Menschen steht, muß man nicht wirklich (hohe) moralische Anforderungen stellen.

Naja...Moral hin oder her...genau das ist die Ansicht fast aller Menschen. Mich natürlich eingeschlossen: bei der Frage ich oder tausend andere ... naja ... offensichtlich ich. So jedenfalls antworte ich täglich, wenn man mir einen Rotbarsch aus Afrika anbietet, oder Schokolade oder Kaffee, oder Coca Cola, oder Milch oder Bananen oder Tomaten aus Spanien ... klar oder?
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Offline Frühstücksdirektor

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Re: nett geschrieben - nett zu lesen
« Antwort #139 am: 07. Mai 2013, 11:52:05 »
Aber auf jeden Fall moralische.

Nein, nur logische.
Mit Wissen, Weitsicht und Kompetenz hat der Frühstücksdirektor mal wieder Großes geleistet!

Yossarian

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Re: nett geschrieben - nett zu lesen
« Antwort #140 am: 07. Mai 2013, 12:28:51 »
Naja...Moral hin oder her...genau das ist die Ansicht fast aller Menschen.

Was "das"?

Zitat
bei der Frage ich oder tausend andere ... naja ... offensichtlich ich.

Kommt drauf an, welchen Schaden Du mit dieser Denke anrichtest.

Viktoriabarsch - um bei dem Beispiel zu bleiben - esse ich selten, weil ihn die Menschen, die am Viktoriasee leben nicht Essen dürfen und bestenfalls die Gräten und Köpfe auskochen, um nicht zu verhungern. Obwohl diese dorthin verirrte Spezies eine Plage wie die Heuschrecken ist und man den Menschen dort unten sogar noch was dafür bezahlen müßte, daß sie die Viehcher auffressen, bekommen sie nichts davon ab. Wenn ich das weiß, schmeckt mir der Fisch einfach nicht mehr.

Das ist aber nicht "moralisch", sondern es ist die reine Logik, die mich dazu bringt, das nicht auch noch dadurch zu unterstützen, daß ich billigen Viktoriabarsch esse. Natürlich esse ich Viktoriabarsch, aber eher selten; ich bin nicht besser als alle anderen auch.

Es ist nicht logisch, sich so zu verhalten, daß andere Mitglieder der gleichen Spezies (Mensch) Schaden nehmen. Es ist dagegen logisch, daß sich die Mitglieder einer bestimmten Spezies so verhalten, daß die eigene Spezies überlebt. Selbst das ist keine "höhere" Logik, sondern eine immanente, denn eine Spezies, die sich nicht danach verhält, erleidet übr kurz oder lang Schiffbruch und geht unter.

Natürlich ist jeder von und ein bißchen korrupt und ein bißchen egoistisch und deshalb seinen Mitmenschen gegenüber ungerecht und überheblich. So lange sich das so in Maßen hält, daß wir uns gegenseitig das Leben nicht allzu schwer machen, ist es okay

Mit Moral hat das alles überhaupt nicht zu tun.

Conte Palmieri

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Re: nett geschrieben - nett zu lesen
« Antwort #141 am: 07. Mai 2013, 12:30:23 »
Nein, nur logische.
Die Forderung, mann müsse sich logisch verhalten, ist eine moralische Forderung.

Conte Palmieri

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Re: nett geschrieben - nett zu lesen
« Antwort #142 am: 07. Mai 2013, 12:32:29 »
Mit Moral hat das alles überhaupt nicht zu tun.
Könnte es sein, dass Du "Moral" für so etwas ähnliches wie "Religion" hältst? (Das ist tatsächlich nur eine Frage.)

Offline Teppichporsche

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Re: nett geschrieben - nett zu lesen
« Antwort #143 am: 07. Mai 2013, 12:47:04 »
Es ist nicht logisch, sich so zu verhalten, daß andere Mitglieder der gleichen Spezies (Mensch) Schaden nehmen. Es ist dagegen logisch, daß sich die Mitglieder einer bestimmten Spezies so verhalten, daß die eigene Spezies überlebt. Selbst das ist keine "höhere" Logik, sondern eine immanente, denn eine Spezies, die sich nicht danach verhält, erleidet übr kurz oder lang Schiffbruch und geht unter.

Ok, das wäre Logik, falls das denn stimmt. Ich weiss es nicht, ob es stimmt, dass die eigene Spezies überlebt, wenn alle Mitglieder der Spezies keinen Schaden nehmen.

Da passt das alte Paradebeispiel Floss gut hinein: Floss mit 6; nur Essen für 5; einer muss dran glauben (ein Mitglieg der Spezies) um das Überleben der anderen zu "sichern". Logisch ist es hier den einen zu töten. Das bedeutet, dass es zumindest ein Beispiel gibt, wo deine "logische" Folgerung nicht zutrifft. Ergo ist es nicht logisch. Logik bedeutet ja, dass es keine andere Schlussfolgerung gibt.
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Offline Teppichporsche

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Re: nett geschrieben - nett zu lesen
« Antwort #144 am: 07. Mai 2013, 12:50:12 »
Könnte es sein, dass Du "Moral" für so etwas ähnliches wie "Religion" hältst? (Das ist tatsächlich nur eine Frage.)

Kein wesentlicher Unterschied. Moral gibt es nicht und Gott/Götter gibt es nicht.
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Yossarian

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Re: nett geschrieben - nett zu lesen
« Antwort #145 am: 07. Mai 2013, 12:55:51 »
Die Forderung, mann müsse sich logisch verhalten, ist eine moralische Forderung.

Ich fordere überhaupt nichts. Ich erlaube mir in Kenntnis aller Bescheidenheit meiner Erkenntnismöglichkeiten lediglich den Hinweis, daß unsere Spezies die besten Überlebenschancen hat, wenn sich ihre Mitglieder gegenseitig möglichst wenig Schaden zufügen.

Natürlich kann jeder machen, was er will. Wer bin ich denn, daß ich anderen Leuten irgendeine Logik oder Moral aufdrängen möchte. Die (unsere / meine)  Logik krankt doch bereits daran, daß wir nicht wirklich wissen können, was ist.

Könnte es sein, dass Du "Moral" für so etwas ähnliches wie "Religion" hältst?

Nein; daß Moral und Religion etwas miteinander zu tun haben könnten, ist eine christliche Erfindung; Religion ist per se nicht "moralisch". Ich bin im Gegenteil sehr entschieden der Auffassung, daß Moral und Religion zwei völlig voneinander isolierte Dinge sind.

Die Gefahr - und da liegt die Pointe des Cicero-Artikels, egal, welche Schwächen er sonst hat - ist, daß man sich der Hülse Religion zur Zeit entledigt und an ihre Stelle direkt die (eine) Moral treten läßt bzw. stellt.

Für die meisten Menschen ist das keine große Veränderung, weil sie ja sowieso Religion für etwas "moralisches" halten. Und es hat den Riesenvorteil für Herrschende, daß Moral leichter wandel- und anpaßbar ist als Religion, weil letztgenannte ja immer etwas "ewiges", unveränderliches ist bzw. so daherkommt.

Es wird eine Moral proklamiert, und wer sich daran hält, darf dazugehören. Kritik an der Moral ist nicht erwünscht und demnächst auch nicht mehr geduldet (Neusprech / Entenquak). Ja man wird nicht einmal mehr Kritik ausdrücken können, weil die Moral ja auch dazu führt, bestimmte Gedanken nicht mehr zuzulassen oder ausdrücken zu können. Mit der zur Religion erhobenen Moral bekommen wir mal eben en passant die Sprache - unsere wichtigste Kulturtechnik - so verstümmelt, daß wir ungewollten Gedanken keinen Ausdruck mehr werden geben können.

"Paßt" die Moral nicht mehr, wird sie eben angepaßt. Mach das mal mit einer Religion.

1984 ist jetzt.


Yossarian

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Re: nett geschrieben - nett zu lesen
« Antwort #146 am: 07. Mai 2013, 12:58:31 »
Das bedeutet, dass es zumindest ein Beispiel gibt, wo deine "logische" Folgerung nicht zutrifft.

Weshalb nicht? Der Schaden wird so gering wie möglich gehalten. Man kann gerade in der Situation auf dem Floß warten, bis der erste von selbst stirbt, und den dann aufessen.

Yossarian

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Re: nett geschrieben - nett zu lesen
« Antwort #147 am: 07. Mai 2013, 13:00:41 »
Ich weiss es nicht, ob es stimmt, dass die eigene Spezies überlebt, wenn alle Mitglieder der Spezies keinen Schaden nehmen.

Ich "weiß" es auch nicht. Aber vieles spricht dafür, angefangen von der genetischen Vielfalt über den Schutz des Individuums in der Gruppe etc.

Offline Teppichporsche

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Re: nett geschrieben - nett zu lesen
« Antwort #148 am: 07. Mai 2013, 13:08:43 »
Weshalb nicht? Der Schaden wird so gering wie möglich gehalten. Man kann gerade in der Situation auf dem Floß warten, bis der erste von selbst stirbt, und den dann aufessen.

Der ist gut... ;D

Das erinnert mich an meine Schulzeit, wo ein Mitschüler mich mit genau diesem Beispiel in die Ecke getrieben hat. Das war cool. Ich habe es damals weder intellektuell noch "gefühlsmässig" begriffen (damit beziehe ich mich auf mich alleine und sonst niemanden). Heute weiss ich, dass er einfach nur ein offensichtliches menschliches Dilemma aufgezeigt hat.

Deine Lösung kann natürlich in einem speziellen Fall logisch sein, aber nicht in allen. Ergo nicht allgemein gültig. Ergo nicht "allgemein" logisch. Darüber hinaus ist das Flossbeispiel sehr überschaubar und kontrollierbar. Die Welt ist es nicht.

Nehmen wir an China/Indien/Brasilien/etc verdoppeln ihre Population und nebenbei ihre Macht, dann erscheint es mir logisch zu sein (Stabilität, Machterhalt, etc)  "Lebensraum" anderer zu fordern, was sie ja auch jetzt schon tun (Afrika). 

« Letzte Änderung: 07. Mai 2013, 13:10:58 von Teppichporsche »
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Groucho Marx

Conte Palmieri

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Re: nett geschrieben - nett zu lesen
« Antwort #149 am: 07. Mai 2013, 13:19:37 »
@Teppich: Es gibt Dilemmen (-lemmata?), die eben nicht auflösbar sind. Wer je sein Brot mit Tränen aß ....

Aber das ist kein Grund, den Diskurs ganz zu verlassen. Es gibt, Fragen, an denen zu arbeiten sich lohnt.

@Yossie: Offenbar benutzen wir den Begriff "Moral" einfach recht unterschiedlich.