Wie seid ihr in der Situation damit umgegangen? Ich verstehe eure Themen schon gut, aber mir fehlt gerade die Brücke, um dorthin zu gelangen, nicht eine Zielerreichung (was gejagtes) zum inneren Glück zu benötigen, sondern einen schönen Weg irgendwohin. Wie habt ihr diese Zeit durchlebt, oder ähnliche Herausforderungen des Lebens bewältigt?
Ich glaube, da ist jeder auf seine ganz eigene Weise durchgegangen, das wird man schwer generalisieren können.
Ich bin mit 34 Vater geworden und hatte zu der Zeit schon zwei Stiefkinder. Mein Sohn war nach seiner Geburt lange im Krankenhaus, das war um die Wende herum. *Die* Möglichkeit, beruflich was ganz Neues zu machen habe ich verpassen müssen, weil ich mehr bei Ärzten und in Krankenhäusern gewohnt habe als in meinem Büro. Unser Justizsystem in Neufünfland aufzubauen hätte mich damals schon gereizt; einige Kollegen sind mal für ein oder zwei Jahre rübergegangen, dort geblieben ist aus meinem Bekanntenkreis allerdings keiner.
Als meine Ehe so richtig knallte, war ich ungefähr so alt wie Du jetzt. Mein Problem war nicht die Langeweile und Gleichförmigkeit - davon hätte ich gerne ein bißchen gehabt - sondern das Bewußtsein, von Ehefrau und Stiefkindern verschlissen zu werden und nur noch am und im Rad zu drehen. Eine Weile kannst du Dich betäuben, in dem Du nur noch funktionierst, aber das ist keine Lösung, im Gegenteil. Irgendwann war es soweit, daß mich meine Bürokollegen in Zwangsurlaub geschickt haben und damit drohten, mir den Büroschlüssel abzunehmen, nachdem ich abends um 11 nach dem Kino ins Büro geschlichen war und meine Post gemacht hatte.
Ich wußte irgendwann buchstäblich nicht mehr, was und wer ich bin. Ich war ein Zombie, der Geld ranschaffte, sonst nichts mehr. Eine befreundete Psychologin gab mir nach einem längeren Gespräch als Hausaufgabe auf, mir eine private (!) Homepage zu basteln um mich wieder zu erinnern, was mir eigentlich so Spaß macht im Leben.
Mit 40 habe ich meinen Motorradführerschein gemacht und die ersten zwei Jahre jede freie Minute auf dem Bock gesessen. Ich hab damals Jahresfahrleistungen gehabt, die mancher Autofahrer nicht hat. Außerdem habe ich angefangen, mit meinem Sohn Kurzreisen zu unternehmen, um der häuslichen Situation zu entfliehen. Als mein Sohn dann endlich alt genug war, daß seine Stimme beim Familiengericht Gewicht hat, hab ich die Baggage endlich aus dem Haus geworfen einschließlich meines direkten Nachfolgers bei meiner Ex, der sich dreist bei mir eingenistet hatte (Inzwischen hat er die Alte geheiratet, wofür ich ihm ewig dankbar sein werde).
Die nächsten Jahre sind für meine persönliche Regeneration draufgegangen und dafür, aus der völlig runtergewirtschaftet gewesenen Bruchbude wieder so was wie eine menschliche Behausung zu machen. Ich lebe da immer noch mit meinem 23jährigen Sohn.
Meine Ziele waren in diesen Jahren zuerst das mehr oder weniger nackte Überleben und dann, wieder zum Menschen zu werden. Irgendwann unterwegs sind die "großen" Ziele im Galopp einfach verloren gegangen, ohne daß ich sagen könnte, wann und wo.
Um Deine eigentliche Frage mit Gegenfragen zu beantworten:
Was sind Deine Ziele?
Was verstehst Du unter Deinem "inneren Glück"?
Was treibt Dich zur Jagd?
Was tust Du für Dich?
Wann hast Du das letzte mal etwas nur für Dich getan?
Wo bist *Du* eigentlich in diesem ganzen Spiel?