Ja, was soll ich sagen. Ich war im Kreisjugendamt in Hofheim am Main mit meinem Mandanten in eine Geröllhalde kichernden, männerhassenden Irrsinns geraten. Man hätte der Situation durchaus Spaß abgewinnen können, wäre der Mandant nicht so völlig aus dem Ruder gelaufen und hätte sich um Kopf und Kragen geredet. Tja, so enden Freundschaften, aber das ist ein anderes Thema.
Der Mandant hatte eine Vorladung wegen häuslicher Gewalt, vorausgegangen war eine wechselseitige Strafanzeige wegen Körperverletzung zwischen ihm und seinem Gspusi; die beiden wohnen nicht zusammen, haben aber ein gemeinsames Kleinkind.
Das Jugendamt in Hofheim, jedenfalls der Teil des Stockwerkes, in dem diese Veranstaltung stattfinden sollte, begrüßt Männer auf seine eigene Art, so daß mann sich sofort verstanden und gleichwertig behandelt fühlt: Die Wände voller Plakate, in denen Gewalt gegen Frauen angeprangert wird, aufgelockert mit locker eingestreuten Plakaten, in denen Männer ermahnt werden, nicht vor ihren Kindern Bier zu trinken und gefälligst ein gutes Vorbild zu sein. Die zu 90 % weiblichen Bediensteten, die über die Flure huschten, sahen durch die Bank aus wie die gängigen Karikaturen von Kampflesben: Unvorteilhafter Kleidungsstil, lila Strumpfhosen, verbiesterter Blick etc.
So eingestimmt wurden wir von der zuständigen Sachbearbeiterin empfangen, von deren Persönlichkeit wir uns bereits in der Vorkorrespondenz ein Bild hatten machen können.
Der abgesprochene Plan war, zu versuchen, die Akte einzusehen. Wenn uns das nicht gelänge - wovon wir ausgingen - würden wir uns die Vorwürfe des Jugendamtes anhören und unter Hinweis auf das laufende staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren keine Stellungnahme abgeben, aufstehen und wieder gehen. Kein großes Ding also. Zuvor hatte der Mandant in einer anderen Abteilung einen Unterhaltstitel für sein Kind schaffen lassen; die Sachbearbeiterin dort war nett, kompetent und freundlich. Auch der Wandschmuck in der anderen Abteilung war ansprechender gewesen.
Die Sachbearbeiterin war überrascht, daß mein Mandant mit Anwalt erschien, hieß uns Platz nehmen und kam nach fünf Minuten mit einer zweiten Jugendamtsmitarbeiterin gleicher Art und Güte (Auftreten, Kleidungsstil etc.) wieder. Gut, eine paritätische Besetzung kann Sinn machen, wenn man sich hinterher über den Inhalt und /oder Ergebnis eines solchen Gespräches in die Wolle bekommt. Ein guter Sachbearbeiterin hat das nicht nötig, aber ich war gewillt, darüber nicht zu spötteln.
Die Sachbearbeiterin und ihre Assistentin /Mitstreiterin / Bodyguard / What the Fuck so ever erarbeiteten kurz eine Sitzordnung, in der wir uns zu platzieren hatten, holte eine ziemlich dicke Akte hervor und legte ihre / eine Visitenkarte auf den Tisch, was ich als Wink nahm, auch eine meiner Visitenkarten auf den Tisch zu legen; denn immerhin war ich in der Angelegenheit dem Jugendamt gegenüber noch nicht in Erscheinung getreten. Das Präsentieren der Karte durch Legen auf den Tisch sollte mir später noch angekreidet werden.
Nachdem frau sich also in ihrer frostigen Herzlichkeit sortiert hatte, hub sie an, man wolle hier über einen Fall häuslicher Gewalt reden. Ich unterbrach sie mit dem Worten "*behauptete* häusliche Gewalt", denn der Mandant ist ja noch nicht rechtskräftig wegen irgendetwas verurteilt. Die korrekte Terminologie hätte natürlich sein müssen "*Verdacht* der häuslichen Gewalt", aber es war mir halt anders rausgerutscht. Die Sachbearbeiterin wiederholte sich mit ihren Worten "häusliche Gewalt", woraufhin ich wieder mit "behauptete häusliche Gewalt", von ihr ausgehend mit von mal zumal sich steigernder Lautstärke. Man hätte das wahrscheinlich so fortführen können; dann säßen wir jetzt immer noch da und würden uns gegenseitig mit unseren jeweiligen Text anbrüllen. Da das nicht zielführend gewesen wäre, ließ ich das Geblöke der Frau irgendwann so stehen.
Nach weiteren einleitenden Worten der Jugendamtsdomina fing mein Mandant dann zu meinem Entsetzen an, sich in epischer Breite um Kopf und Kragen zu reden. Dabei meinte er, den einen oder anderen Vorfall pantomimisch darstellen zu müssen und griff dabei in seiner Dämlichkeit der Sachbearbeiterin leicht an den Oberarm. Die schrie sofort auf, als hätte er sie vergewaltigen und / oder ermorden wollen. Sie untersagte ihm, sie anzufassen und brüllte ihn wie ein kleines Kind an, ob er das auch verstanden hätte, und das er sich gefälligst entschuldigen solle. Gut, mein Mandant hatte sich saudämlich verhalten, aber man hätte damit souveräner umgehen können; frau konnte das offensichtlich nicht.
Nachdem die peinliche Veranstaltung, in der diese eierlose fliegende Unterhose mein Mandant sich vor diesen beiden Kampflesben im Dreck wälzte und ihren Speichel aufleckte hinzog, meinte die Sachbearbeiterin wohl, die Sache irgendwie abkürzen und zum Punkt bringen zu müssen. Es war der erste und einzige Moment, in dem ich ganz bei ihr war.
Leider fing sie dann an zu meinen, daß man sich nicht um Begrifflichkeiten streiten wolle, denn das nähme man (frau?) nicht so genau. Wieder widersprach ich mit dem Hinweis, daß es aber gerade um die Begrifflichkeiten ginge, denn immerhin ist es ein Unterschied, ob jemand wegen einer Körperverletzung rechtskräftig verurteilt ist, oder ob er deren nur verdächtigt wird. Es begann also erneut mit diesem albernen, sich in der Lautstärke steigernden nein-doch Spielchen. Diesmal brach die Jugendamtstante das Spiel ab, indem sie aufstand und rumschrie, sie breche das Gespräch jetzt ab, weil ich so aggressiv sei, daß sie es nicht fortführen könne.
Ich bemerkte kurz, daß ich nicht erkennen könne, aggressiv zu sein, oder gewesen zu sein, worauf hin dann die Zofe der Jugendamtsdomina anfing rumzukeifen, ich hätte von Anfang an eine aggressive Grundstimmung verbreitet, schon in dem ich einfach meine Visitenkarte auf den Tisch gelegt hätte - hä???
Ich schaute zu meinem Mandanten und meinte, daß wir jetzt wohl besser gehen. Der wollte das nicht, also erklärte ich, daß für mich maßgeblich ist, was mein Mandant will. Daraufhin schrie sie irgendwas von ihrem Hausrecht, von dem sie jetzt Gebrauch mache, ich konterte trocken, sie solle halt von mir aus den Sicherheitsdienst rufen, mir wäre das egal.
Das Gespräch war so oder so beendet, also wollte ich meinen Mandanten nehmen und gehen. Der meinte, ich solle halt mal fünf Minuten rausgehen, er "wolle das regeln", woraufhin die Domina wieder was röchelte, das käme überhaupt nicht in Frage, daß ich wieder reinkäme. Ich also nochmal an meinen Mandanten die Aufforderung, mit mir mitzukommen. Der, bis zu diesem Augenblick einer meiner besten Freunde, wollte nicht mitkommen, sondern lieber weiter den Speichel seiner Domina lecken. Ich erklärte ihm kurz, daß das Mandat beendet sei, wenn er nicht mitkäme. Er wollte bleiben. Nachdem mir mein Exfreund also so in den Rücken gefallen war und mich vor zwei Kampflesben bloßgestellt hatte, verließ ich das Gebäude. Draußen rief ich meinen Sohn an, sagte ihm, wo ich bin und hieß ihn, mich abzuholen, weil wir mit dem Auto meines ehemaligen Freundes dorthin gefahren sind.
Das war´s schon. Mehr war nicht.