Tolle Gegend zum Motorradfahren, aber die Orte heißen dort Elend und Sorge und sehen auch so aus, und die Menschen verbreiten ein Lebensgefühl, das den Ortsnamen entspricht.
Wir waren dieses Jahr in Wernigerode. Alles ist extrem rausgeputzt und auch nicht mehr ganz billig. In der Gegend gibt es viele bedeutende Kulturgüter: den Dom mit Schatz in Quedlinburg, Som und Schatz in Halberstadt, Kloster Drübeck, Kloster Ilsenburg, das Schloß in Wernigerode, wo übrigens der Fürst von Stolberg-Wernigerode für Bismarck die Sozialgesetzgebung ausgearbeitet hat..
Ganz ehrlich gibt es nichts, was mich in den Osten zieht.
Mit einer gewissen Ignoranz kann man sich so eine Einstellung zulegen.
Durchaus nicht. Aber die Nazis hier kenne ich; die in der Ex-DDR scheinen mir noch ein ganz anderes Kaliber zu sein.
Die sind prolliger und dahinter stecken oft genug Nazis mit Geld aus dem Westen, die Immobilen kaufen und da Nazi-Treffs einrichten. Da gibt es alles möglich Kroppzeug von Burschenschaftlern bis NPD-Leuten.
Wahrscheinlich auch ein Vorurteil, aber meine körperliche Unversehrtheit ist mir wichtiger als die Verifizierung oder Widerlegung eines Vorurteils.
Ja, ziemlich irrational. Da ist nun wirklich überhaupt nichts dran. Das schlägt in die gleiche Kerbe wie jemand, der sagt, daß er nicht in ein syrische Restaurant geht, weil da ja ein IS-Terrorist sein könnte. Qualitativ ist das das gleiche.
Hoyerswerda hätte es 1991 im Westen nicht gegeben und wird es trotz der AfD auch heute nicht im Westen geben.
Es hat Mölln, Solingen und Lüneburg gegeben. Insgesamt 18 Tote. Ich glaube, beim body count führt Westdeutschland. Da könnte man jetzt auch sagen: "sowas wird es trotz der AfD auch heute nicht im Osten geben."
Das ist durchaus bekannt. Aber wann war das? Meinst Du nicht auch, daß die mittlerweile alle außer Dienst und hoffentlich tot sind?
Das sollten sie sein, aber wie viel vom Geist lebt weiter? Bei Herrn Maaßen habe ich da meine Zweifel.
Und mit was für einem Personal wurden denn die ersten Generationen der Stasi ausgestattet? Mit strammen Kommunisten? Vergiß es.
Nein, vergesse ich nicht. Da gab es eine Menge Leute, die in die Sowjetunion geflohen waren und dann zurückkamen. Die haben sich dann untereinander und mit anderen Kommunisten und Sozialdemokraten bekriegt. Es wurde aber tatsächlich besser mit Nazis aufgeräumt. Natürlich gab's die auch, aber weniger offen und selbstbewußt und ich behaupte mal, nicht so viele. Die Russen haben die massenweise in den NKWD-Lagern verschwinden lassen - zusammen mit vielen Unschuldigen. Die Leute sind in den Westen gegangen, wenn sie Dreck am Stecken hatten. Und im Osten hat sich niemand getraut, ein Bild von seinem Opa in Waffen-SS-Uniform im Wohnzimmer zu haben. Das habe ich in Mannheim erlebt.
Im Osten gab's auch keine Veteranentreffen der Leibstandarte. Völlig undenkbar sowas. Im Westen war das offen und normal und wurde von der Polizei gegen Demonstranten geschützt. Rente für Waffen-SS-Leute oder eine Pension für die Freissler-Gattin? Nicht im Osten.
Natürlich Wessies; aber sie mußten mit dem vorhandenen personellen Unterbau leben; der wurde nicht ausgetauscht.
Du hast aber gefordert, die Führung auszutauschen. Ich wollte nur zeigen, daß eben genau die in den Aufbaujahren durchweg westdeutsch war. Offenbar haben die versagt und da den falschen Geist verbreitet.
Es gab ja keine Wiedervereinigung, sondern einen Beitritt. Man wollte im Osten ja schnell, schnell die DM und die geilen Westautos haben, weiter haben wohl die wenigsten gedacht.
Das ist Geschichtsverfälschung. Der Osten hätte gerne eine Vereinigung gehabt inkl. einer neuen Verfassung. Kohl hatte das rundweg abgelehnt und die Bedingungen diktiert. Er wollte den Anschluß und war der Meinung, dann würde alles am besten laufen. Der Seitenhieb auf Westautos ist unter der Gürtellinie. Westdeutschen war ja nicht mal der grüne Abbiegepfeil zuzumuten. Den kapieren die heute noch nicht. Der Osten hat das gesamte Westsystem übernommen. Das war eine riesige Leistung. Im Westen hat man sich dann noch jahrelang dagegen gestemmt, den §218 zu übernehmen. Dieses Beharren auf möglichst wenig Veränderung hat viel zum Ärger im Osten beigetragen. Es ist ja nun nicht so, daß die alte BRD rundum reibungslos funktioniert. Steuersystem, Bildungssystem, Gesundheitssystem, Rentensystem. Alles riesige reformunfähige Baustellen und durchaus mit Dingen zu verbessern, die man aus dem Osten übernehmen könnte.
Das passiert aber nicht und wenn, dann ganz ganz langsam: Ganztagsschule, G8, Poliklinik, Kindergärten, Zentralabitur, Akademie der Wissenschaften als zentrale Einrichtung ... Hat alles gut funktioniert, darf man aber auf keinen Fall einfach so übernehmen. Das ist ja DDR. Kann nicht gut sein. Also wird probiert, getestet, verworfen, wieder probiert. Endloses rumwurschteln, statt einfach zuzugeben, daß es Konzepte in der Schublade gibt, die man übernehmen könnte. Die Leute merken, daß einfach aus Prinzip nichts so gemacht wird, wie es im Osten war. Stoß die Leute permanent so vor den Kopf und du züchtest Unzufriedenheit.
Da kommen dann auch noch so Dinge dazu, daß im Osten mit einem Federstrich Unternehmen mit fünstelliger Mitarbeiterzahl mal eben so geschlossen wurden, aber wenn im Westen Holzmann pleitegeht, ja dann muß der Bundeskanzler rotieren und es wird ein Rettungspaket gemacht. Ich war damals ziemlich fassungslos. Warum hat man den Laden nicht genauso abgewickelt wie zig Ost-Unternehmen?
Sowas geht natürlich nicht, wenn man sich für eine echte Wiedervereinigung entscheidet und der Sache mal eine volle Generation Zeit gibt, um tatsächlich zusammenzuwachsen. "Beitritt" bedeutet aber auch, daß nach Wessie-Regeln gespielt wird. Da hätte man vielleicht mal kurz drüber nachenken sollen, bevor man sich auf sein neues Westauto freut.
Wie gesagt, das ist unfair und geschichtsvergessen. Dem De Maiziere hatten die West-Unterhändler ziemlich klar gemacht, daß er nichts zu melden hat. Das war friß oder stirb. Daß die Vereinigung als Anschluß kam, war kein Wunsch aus dem Osten. Es gab Anfangs Ideen, eine Vereinigung zu machen, die unter anderen Vorzeichen steht. Das wurde ganz schnell abgebügelt. Such die Schuldigen dafür woanders. Und ohne Kohls Einheizen hätte man das alles auch etwa langsamer machen können.
Das ist sicher richtig; aber einladend war der Osten nie und wird es immer weniger.
Wie gesagt: ignorant. Genausogut könnte ich behaupten, daß Belgien ein Land von Kinderschändern und Terroristen ist und ich da nie einen Fuß hinsetzen werde. Ich hab's aber trotzdem getan und das ist dann wohl der Unterschied zwischen Wessi und Ossi.
Da bin ich mir nicht sicher.
Ich bin mir da ohne jeden Zweifel sicher. Das fängt schon damit an, daß sich in Westdeutschland das Gerücht hält, man müßte nur da den Soli zahlen. Was wissen die Leute sonst noch? Doch ehrlich gesagt fast nichts.