auch schland blamiert sich
Parteien blamieren sich mit Wahlrechtsreform
Spon lässt sich mal wieder nicht verlinken. Steckt wahrscheinlich die schwarz-gelbe Mafia dahinter.
also per Hand
Das Verfassungsgericht hat ein neues Bundestagswahlrecht gefordert - doch Schwarz-Gelb hat die Reform vertrödelt. Eine fristgerechte Einigung ist jetzt nicht mehr möglich, Deutschland steht bald ohne verfassungsfesten Abstimmungsmodus da. An der Schlappe will keiner schuld sein.
Info
Berlin - Das Thema ist hoch kompliziert - aber das dürfte als Ausrede kaum durchgehen. Denn tatsächlich hat Deutschland bald ein veritables Problem: Es steht bald ohne ein Bundestagswahlrecht da, das den erklärten Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts genügt. In einer Zeit mit einer zerstrittenen Regierung.
Bis zum 30. Juni hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe dem Parlament in Berlin gegeben, um das Wahlrecht zu reformieren. Die Abgeordneten hatten drei Jahre Zeit für eine Lösung - aber eine fristgerechte Einigung wird nicht mehr zustande kommen.
Manch einem ist deswegen schon ganz bang. Große Worte werden bemüht: "Ab dem 1. Juli haben wir - und das ist keine Übertreibung - eine echte Staatskrise", so der Grünen-Politiker Jerzy Montag in der "Frankfurter Rundschau". Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, sagt: "Das Verhalten von Union und FDP verhindert faktisch die Möglichkeit vorgezogener Neuwahlen." "Die Koalition ist auch beim Wahlrecht völlig zerstritten." Dass Schwarz-Gelb wenige Tage vor Fristablauf immer noch keinen Gesetzentwurf vorgelegt habe, "ist eine beispiellose Respektlosigkeit gegenüber dem Bundesverfassungsgericht", so Oppermann.
Von einem "drohenden Zusammenbruch der Demokratie", von einem "politischen Fukushima", einem "gezielten Anschlag auf die Verfassung", einer "bewussten Missachtung des Bundesverfassungsgerichts", einer "Verhöhnung der Wähler", schreibt gar der Leitartikler der "Frankfurter Rundschau".
Lammert: "Ärgerlich und zweifellos auch peinlich"
Zuvor hatte bereits der Politologe Joachim Behnke im Interview mit SPIEGEL ONLINE erklärt:
Wenn sich Merkel gezwungen sähe, die Vertrauensfrage zu stellen, und diese scheitern würde, "entstünde schon eine überaus heikle Situation. Denn für Neuwahlen stünde dann nur das alte, verfassungswidrige Wahlrecht zur Verfügung".
Was ist das Problem? Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil von 2008 festgestellt, dass Ungerechtigkeiten abzuschaffen sind, die durch das sogenannte negative Stimmgewicht entstehen. Gemeint ist der Fall, in dem eine Partei einen oder mehrere Sitze im Parlament durch zusätzliche Überhangmandate hinzugewinnt, obwohl sie weniger Stimmen bekommen hat.
Die Oppositionsparteien im Bundestag haben bereits einen Gesetzesentwurf zu einer Reform vorgelegt, Grüne und SPD wollen bei den Überhangmandaten ansetzen.
Die SPD will die Überhangmandate durch Ausgleichmandate für andere Fraktionen nivellieren - dadurch würden aber viel mehr Abgeordnete im Parlament sitzen.
Die Grünen wollen Überhangmandate parteiintern über die Listen ausgleichen.
Die Linke will eine ähnliche Lösung wie die Grünen, schlägt nur für den Fall, dass trotzdem noch Überhangmandate entstehen, Ausgleichsmandate für den Bundestag vor
Die Union will Überhangmandate in jedem Fall beibehalten. Sie profitiert in der Regel am meisten davon - immerhin sitzen 24 Unionsabgeordnete nur deshalb im Bundestag. CDU und CSU wollen deshalb die Sitzverteilung ändern, durch geschlossene Wahlgebiete - das heißt, dass die Sitze für jedes Bundesland gesondert auf die Parteien verteilt werden sollen.
Eine Lösung scheiterte in Verhandlungen mit der FDP, die dadurch Nachteile fürchtet. Die Sache ist verhakt.
Inzwischen mehren sich deshalb auch bei Schwarz-Gelb die Stimmen, die das Versagen der eigenen Leute offen anprangern. Deutschlands Nummer zwei, Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), nennt die Situation in der "Süddeutschen Zeitung" "ärgerlich und zweifellos auch peinlich".
Staatsrechtler von Arnim: "Das ist eine eminente Machtfrage"
CDU-Mann Wolfgang Bosbach, Vorsitzender des Innenausschusses des Bundestags, will zwar von einer drohenden Staatskrise nicht sprechen, aber auch er findet es beschämend für den Bundestag und "insbesondere die Regierungsfraktionen", dass keine Lösung gefunden wurde. "Das Bundesverfassungsgericht hat uns eine sehr großzügige Übergangsfrist eingeräumt. Wenn wir nicht rasch zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung kommen, besteht die Gefahr, dass das Bundesverfassungsgericht die Sache selbst in die Hand nimmt", so Bosbach zu SPIEGEL ONLINE. "Wir stehen nicht nur unter großem Erfolgsdruck, sondern auch unter Zeitdruck."
Bosbach sieht die Verantwortung dafür, dass Schwarz-Gelb noch keinen Entwurf zur Reform des Wahlrechts vorgelegt hat, allerdings bei der FDP. "Es gab eine Einigung der Koalitionsfraktionen auf Arbeitsebene, die aber bei näherer Hinsicht von der FDP nicht akzeptiert wurde. Seitdem haben wir das Problem", sagt Bosbach.
Auch davon, dass das Führungschaos bei der FDP die Verhandlungen gelähmt hat, ist in Unionskreisen die Rede.
FDP-Mann Stefan Ruppert räumt ein, dass sich die Liberalen bei dem Modell der geschlossenen Wahlgebiete benachteiligt gefühlt haben. Tatsächlich würde es in kleinen Bundesländern dadurch schwierig werden, für die FDP Mandate zu erlangen. Außerdem wolle man der Opposition entgegenkommen, so Ruppert. "Das Wahlrecht in diesem einen Punkt - und nicht etwa grundlegend - zu ändern ist unglaublich schwierig."
Union strebt nach parteiübergreifendem Konsens
Verwunderung über die Äußerungen Lammerts äußert der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion Peter Altmaier (CDU): "Lammert kennt die internen Abläufe und Gründe für Fristüberschreitung", sagt Altmaier SPIEGEL ONLINE.
Der CDU-Politiker rechnet trotz der Probleme mit einer baldigen Lösung: "Ich gehe davon aus, dass wir bis zum 30. Juni Klarheit haben werden, wohin die Reise geht. Auch wenn das Gesetz möglicherweise erst nach der Sommerpause verabschiedet wird." Die Union sei an einer parteiübergreifenden Lösung sehr interessiert. "Aber im Augenblick macht die Opposition die Möglichkeit kaputt, in dem sie sich vor allem auf das sachfremde Thema Überhangmandate konzentriert", so Altmaiers Vorwurf.
Eine Wahlrechtsreform nur mit den Stimmen von Union und FDP im Bundestag - das würde zumindest einer demokratischen Tradition widersprechen. Es gehöre zu den "grundlegenden Spielregeln des demokratischen Wettbewerbs Wahlrechtsänderungen nur im größtmöglichen Konsens vorzunehmen", sagte Politologe Behnke im Interview. Nur die Einhaltung dieser Regeln "garantiert, dass auch die Ergebnisse akzeptiert werden".
Ein extrem komplexes Thema, Rücksicht auf die Opposition, ein widerwilliger Koalitionspartner: Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim sieht in dem Versagen, innerhalb von drei Jahren keine Lösung für eine Wahlrechtsreform zu finden, vor allem eines: "Es handelt sich hier um eine eminente Machtfrage. Es geht den Parteien so intensiv um ihren Machterhalt, dass sie sich noch nicht einmal scheuen, sich öffentlich zu blamieren." Die Union habe ein großes Interesse an den Überhangmandaten - bei den nächsten Wahlen könnten diese den Ausschlag für die Regierungsbildung geben, so Arnim.