Autor Thema: Sucht und Unzucht  (Gelesen 4135 mal)

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Yossarian

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Sucht und Unzucht
« am: 04. Mai 2010, 08:30:07 »
yossi, ich bin zwar kein profi, kenne mich aber seit geraumer zeit mit diversen suchtkrankheiten aus und kann dir definitiv sagen, dass es süchte gibt, das süchte schleichend kommen, du es nicht wahrnimmst (ja, auch du), und wenn du glück hast, selbst begreifst, dass du süchtig nach dingen bist. sei es alkohol, drogen, konsum, spielgeräte, medikamente, etc... gibt ja auch für die "normale gesellschaft" lustiges kopfnicken, wenn jemand 10.000 teddybären sammelt.

du solltest dich mal mit dem medizinischen aspekt der sucht beschäftigen. dann würdest du nicht so abfällig darüber schreiben, wie zum beispiel dass jeder da raus kommen kann, wenn er nur will. oder gar anfangs: wieso sieht er nicht, dass er ner sucht nachgeht?! vielleicht bist auch du schon längst süchtig und kannst es dir nicht eingestehen?! nicht bös gemeint, aber jeder hat mehrere macken und mehr als du denkst sind süchtig. nur das eingestehen, daran hapert es.

wie man selber mit seinen süchten auskommt, ist jedem selber überlassen bzw. durch sein umfeld gegeben. der eine lässt es seine umwelt wissen, der andere nicht. der eine möchte gerne, es interessiert aber keinen, der andere möchte nicht, aber es gibt viele, die ihm helfen wollen... die einen haben glück, die anderen pech.

sorry, ot

Yossarian

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Re:Sucht und Unzucht
« Antwort #1 am: 04. Mai 2010, 08:59:58 »
kann dir definitiv sagen, dass es süchte gibt

Das habe ich nicht bestritten.

Zitat
das süchte schleichend kommen

Richtig.

Zitat
du es nicht wahrnimmst (ja, auch du), und wenn du glück hast, selbst begreifst, dass du süchtig nach dingen bist

Also es tut mir leid; aber wenn man ein Alkoholproblem hat merkt man das nicht erst, wenn man morgens beim Aufstehen vor lauter Tremor den Flachmann mit dem Asbach nicht mehr aufkriegt.

Subjektiv war ich in meinem Leben zwei mal gefährdet. Zum ersten mal, als ich ums Abi rumMusikgemacht hatte und angefangen hatte, Pfeife zu rauchen, um dasLampenfieber zu überspielen wenn wir vor einem Gig unseren Kram aufgebaut hatten. Irgendwann bemerkte ich, daß ich auch sonst sofort zur Pfeife griff, wenn ich nervös war und einen richtiggehenden Drang zu diesem Scheißding hatte. Daraufhin hab ich die Pfeife weggelegt und nie wieder angefaßt. Das war zugegebenermaßen harmlos.

In den Achtzigern war ich für eine Weile im öffentlichen Dienst. Sicherheitshalber hatte ich aber meine Kanzlei nicht aufgegeben (im Nachhinein die richtige Emtscheidung). Also war ich tags im Amt, abends in meiner Kanzlei und wenn ich heimkam war ich so brezelfertig, daß ich einen getrunken habe und ins Bett gefallen bin. Irgendwann war ich dann bei einer Flasche Wein pro Abend und merkte, daß ich mich sehr nervös und unwohl fühlte, wenn ich mal vergessen oder es nicht geschafft hatte, mir im Weinladen um die Ecke eine Flasche zu holen und keinen Absacker zuhause hatte. Darüber war ich dann ziemlich erschrocken und hab für eine ganze Weile meinen Alkoholkonsum komplett eingestellt.

Ich glaube, daß man nicht merkt, wenn man anfängt reizurutschen. Aber ich bin überzeugt, daß man es merkt, wenn man drinsteckt. Und zwar ziemlich am Anfang schon.

Zitat
sei es alkohol, drogen, konsum, spielgeräte, medikamente, etc...

Hier muß differenziert werden zwischen physischer und psychischer Abhängigkeit bzw. abgegrenzt werden zu Suchtmitteln, die in den Stoffwechsel eingebaut werden. Ich bin z.B. mit 100 %iger Sicherheit koffeinabhängig.

Zitat
du solltest dich mal mit dem medizinischen aspekt der sucht beschäftigen.

Ja Mama. Was macht Dich glauben, daß ich das nicht längst getan habe?

Zitat
dann würdest du nicht so abfällig darüber schreiben

Tu ich nicht, im Gegenteil. Ich bin nur entschieden dagegen, alles und jedes Verhalten zu pathologisieren. Wenn man jedes auf Sicht selbszerstörerische Verhalten mit Wiederholungscharakter gleich pathologisiert und als "Sucht" entschuldigt und den Betroffenen damit aus seiner Verantwortung für sich selbst entläßt, dann diskreditiert man die Menschen mit einem echten Suchtproblem.

Ich hab zu Zeiten, als ich noch viele Strafverteidigungen gemacht habe mehr als einen "Drogensüchtigen" gebastelt, wenn damit die zu erwartende Strafe runterzuhaneln war.

Zitat
wie zum beispiel dass jeder da raus kommen kann, wenn er nur will.

Abhängig von der Art der Sucht und davon, wie früh er es an sich bemerkt. Nach drei Pfeifen Crack steigst Du nicht mehr so leicht aus, daß Zeug baut sich ziemlich schnell in Deinen Metabolismus ein.

Zitat
vielleicht bist auch du schon längst süchtig und kannst es dir nicht eingestehen?!

Siehe oben.

Zitat
nicht bös gemeint, aber jeder hat mehrere macken und mehr als du denkst sind süchtig. nur das eingestehen, daran hapert es.

Siehe oben. Nicht jede Macke ist pathologisch.

Zitat
wie man selber mit seinen süchten auskommt, ist jedem selber überlassen

Letztendlich ja.

Offline Teppichporsche

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Re:Sucht und Unzucht
« Antwort #2 am: 04. Mai 2010, 09:01:14 »
Ich glaube, dass jeder in irgendeiner Weise süchtig ist.

Habe das hier gefunden:

"Was ist Sucht?
a) Sucht ist ein unabweichbares Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand. Diesem Verlangen werden die Kräfte des Verstandes untergeordnet.

b) Es beeinträchtigt die freie Entfaltung einer Persönlichkeit und zerstört die sozialen Bindungen und die sozialen Chancen des Individuums.

c) Sucht ist gekennzeichnet durch eine eigene Dynamik, (ähnlich dem Schneeball, der sich zur Lawine entwickelt), durch den fortschreitenden Verlust freier Handlungsmöglichkeiten, dem Verlust der Kontrolle über das eigene Verhalten, und dabei mit in der Regel auftretenden körperlichen, psychischen und sozialen Folgen.
 
d) Sucht ist stets Krankheit, die vorliegt bei Unfähigkeit zur Abstinenz oder Verlust der Selbstkontrolle oder periodischem Auftreten eines dieser beiden Symptome... "

aus http://www.alida.de/pages/de/suchthilfe/was_ist_sucht/index.htm

a) klar hab ich das.

b) "freie Entfaltung einer Persönlichkeit" Bullshit! Sucht ist Teil meiner Persönlichkeit.
"zerstört die sozialen Bindungen und die sozialen Chancen des Individuums" kann sein. Edit: soziale Bindungen sind im allgemeinen nichts festes und soziale Chancen: no interest!

c) "Schneeball" Ein Schneeball kann nur eine gewisse Grösse erreichen, dann ist Schluss. In dem Sinne trifft das auch auf mich zu.

d) "Krankheit" Nenn es wie du willst! Scheiss drauf!
« Letzte Änderung: 04. Mai 2010, 09:03:17 von Teppichporsche »
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Groucho Marx

Offline Teppichporsche

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Re:Sucht und Unzucht
« Antwort #3 am: 04. Mai 2010, 09:08:12 »
Ich glaube auch, dass das Problem nicht in der "Sucht" liegt, sondern in dem Selbstbild, das der Süchtige hat.

Normalerweise denkt der "Süchtige" (Quark: jeder ist süchtig und damit ist Süchtiger kein Unterscheidungsmerkmal), dass er/sie schlechter ist, als Hinz und Kunz, eben weil er süchtig ist. Das ist Dünnschiss.
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Groucho Marx

Offline DüDo

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Re:Sucht und Unzucht
« Antwort #4 am: 04. Mai 2010, 21:53:51 »
dann hab ich höchsten respekt vor dir, yossi! aber du warst der sucht auch erlegen. sei es die pfeife oder die flasche wein. das thema koffein besprichst du lieber mit deinem hausarzt ;)

dennoch bist du dann die ausnahme. keine ahnung woran es liegt. ich denke mal am sozialen umfeld. aber das ist wieder so eine pauschale geschichte, die nur individuell betrachtet werden kann. dennoch bist du dann "nur" ein trockener alki oder drogi, da leider das erinnerungsvermögen des hirns sich sofort wieder drauf einstellt, das mehr gebraucht wird... sei es nach 1 jahr oder nach 50 jahren...

Offline Mattieu

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Re:Sucht und Unzucht
« Antwort #5 am: 05. Mai 2010, 10:19:32 »
dennoch bist du dann die ausnahme. keine ahnung woran es liegt. ich denke mal am sozialen umfeld.

Es liegt an der psychosozialen Disposition des Einzelnen, nicht am Umfeld. Die Disposition wiederum kann über den Lebenszeitraum veränderlich sein. Die individuelle Disposition ist der Grund, warum  jemand anfällig für Süchte sein kann, und auch, warum er dann darin verharrt, statt den Konsum einfach zu beenden. Das trifft im selben Umfeld aber nicht jeden.

aber das ist wieder so eine pauschale geschichte, die nur individuell betrachtet werden kann.

Für diese en passant hingeworfene Kontradiktion hast du einen Rhetorik-Award verdient.

Scheiße ist, wenn der Furz was wiegt.

Yossarian

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Re:Sucht und Unzucht
« Antwort #6 am: 05. Mai 2010, 10:38:22 »
aber du warst der sucht auch erlegen

Naja, sagen wir mal auf dem Weg dahin, aber eine relativ frühe Ausfahrt noch raus.

Ich rauche heute Zigarillos, teils als Streßraucher, teils zum Genuß. Das sieht so aus, daß ich zwischendrin wochenlang kein einziges anrühre, dann aber auch mal eine komplette Schachtel innerhalb von zwei, drei Tagen plattmachen kann wenn hier die Kacke am Dampfen ist.

Aus bestimmten Gründen mußte ich vor rund 20 Jahren mal rund um die Uhr verkehrstüchtig sein, um notfalls mitten in der Nacht mein Blag zum Notarzt oder ins nächste Krankenhaus bringen zu können, d.h ich habe bestimmt zwei Jahre lang nicht einen Tropfen angerührt und das höchste der Gefühle war ein bleifreies Bier (damals kam gerade Kelts auf den Markt; das erste bleifreie, das halbwegs wie ein echtes Pils geschmeckt hat). Das ging auch.

Zitat
dennoch bist du dann "nur" ein trockener alki oder drogi, da leider das erinnerungsvermögen des hirns sich sofort wieder drauf einstellt,

Nein, so weit war ich nie. Ich hatte nur gemerkt, daß ich auf dem Weg bin, wenn ich nicht aufpasse. Wenn ich heute ein Bier oder ein Glas Wein trinke habe ich durchaus nicht das Verlangen nach "mehr". Gerade bei Bier finde ich z.B. die Halbliterflaschen ziemlich abstoßend, das ist mir einfach zuviel; bei mir daheim gibt´s nur 0,33er.

Ich denke, es kommt viel auf den Rahmen an, zumindest wenn man mehr als nur ein Bier oder ein Glas Wein zum Essen trinkt.

Als ich noch Musik gemacht habe, haben wir bei unseren Gigs gesoffen wie nix Gutes, und morgens hatte ich nicht mal einen Kater (aber auch nicht das Bedürfnis, das gleich noch mal zu wiederholen). Ähnlich ist es in einer echten Kölschkneipe, wo man ständig eine frisch gezapfte 02er Stange hingestellt bekommt. Gigantisch, was da an einem Abend an Flüssigkeit in einen reinpaßt.

Es liegt an der psychosozialen Disposition des Einzelnen, nicht am Umfeld. Die Disposition wiederum kann über den Lebenszeitraum veränderlich sein. Die individuelle Disposition ist der Grund, warum  jemand anfällig für Süchte sein kann, und auch, warum er dann darin verharrt, statt den Konsum einfach zu beenden.

Man könnte es auch esoterisch begründen: Als Jungfrau-Geborener bin ich der klassische Nichtraucher und Antialkoholiker.

p.s.: Ein unbestreitbarer Vorteil von Pfeife und Zigarillo ist, daß man nicht inhaliert; es tritt also allenfalls psychische Abhängigkeit ein, weil man nur wenig Nikotin über die Schleimhäute aufnimmt.
« Letzte Änderung: 05. Mai 2010, 10:41:53 von Yossarian »

Eber

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Re:Sucht und Unzucht
« Antwort #7 am: 06. Mai 2010, 23:58:35 »
Es liegt an der psychosozialen Disposition des Einzelnen, nicht am Umfeld.

Schön, daß Du alleine im Raum lebst.

Selten so viel Quark gelesen.
Jeder zeigt mit dem Finger auf andere.

Eber

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Re:Sucht und Unzucht
« Antwort #8 am: 07. Mai 2010, 00:48:16 »

Gerade bei Bier finde ich z.B. die Halbliterflaschen ziemlich abstoßend, das ist mir einfach zuviel; bei mir daheim gibt´s nur 0,33er.

Gigantisch, was da an einem Abend an Flüssigkeit in einen reinpaßt.

Man könnte es auch esoterisch begründen: Als Jungfrau-Geborener bin ich der klassische Nichtraucher und Antialkoholiker.

Hä? Sonst alles frisch?

Eber

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Re:Sucht und Unzucht
« Antwort #9 am: 07. Mai 2010, 00:50:54 »
Ich glaube, daß man nicht merkt, wenn man anfängt reizurutschen. Aber ich bin überzeugt, daß man es merkt, wenn man drinsteckt. Und zwar ziemlich am Anfang schon.

Später anscheinend nicht mehr.

Yossarian

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Re:Sucht und Unzucht
« Antwort #10 am: 07. Mai 2010, 10:08:31 »
Hä? Sonst alles frisch?

Am Liebsten frisch gezapft.  8)

Eber

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Re:Sucht und Unzucht
« Antwort #11 am: 07. Mai 2010, 19:50:14 »
Am Liebsten frisch gezapft.  8)

O.K.  ;)

Sorry, aber ich war halt schon an zu vielen Gräbern gestanden.
Wie Du selbst angemerkt hast, geht der Übergang in die Sucht schleichend.
Der eine merkt es rechtzeitig, der andere halt nicht. Ist er deswegen als Mensch zu verurteilen?
Sucht ist eine Krankheit, eine (fast) unheilbare dazu.
Jeder, der mit Süchtigen zu tun hat, kennt den Satz: Einmal süchtig, immer süchtig.


Offline ganter

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Re:Sucht und Unzucht
« Antwort #13 am: 11. Mai 2010, 00:32:03 »
hört sich gut an
der hier
http://www.youtube.com/watch?v=h1U909HWFQM&feature=related
besonders
Götz Widmann - Frauen und Alkohol
"Männer definieren sich sowieso nicht über die Drogeneinwurfmenge."
"Im Vergleich zur bricom dürfte jede Wand einer öffentlichen Bedürfnissanstalt ein Quell unendlicher Weisheit sein...."
Bodo