Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Pressemitteilung Nr. 6/2014
Verfassungsgerichtshof mahnt stärkere gerichtliche Kontrolle bei der
Verwertung einer angekauften Steuerdaten-CD im strafrechtlichen
Ermittlungsverfahren an und zeigt Grenzen auf - Verfassungsbeschwerde
gleichwohl ohne Erfolg
Die Verfassungsbeschwerde gegen die Verwertung einer so genannten
Steuerdaten-CD, die das Land Rheinland-Pfalz im Jahr 2012 von einer
Privatperson erworben hatte, hat keinen Erfolg. Dies entschied heute der
Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz. Er setzte aber der Verwertung einer
angekauften Steuerdaten-CD im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Grenzen.
Insbesondere mahnte er eine stärkere gerichtliche Kontrolle an.
Das angekaufte Datenpaket enthielt zahlreiche Datensätze von Kunden einer
Schweizer Bank, unter denen sich auch der Beschwerdeführer befand (vgl.
hierzu auch die Pressemitteilung des Verfassungsgerichtshofs Nr. 6/2013 vom
5. November 2013). Gestützt auf diese Daten erließ das Amtsgericht Koblenz
im Mai 2013 gegen den Beschwerdeführer einen Durchsuchungsbeschluss wegen
des Verdachts der Steuerhinterziehung und ordnete nach erfolgter
Durchsuchung die Beschlagnahme verschiedener Unterlagen an. Die gegen die
Beschlüsse des Amtsgerichts erhobenen Beschwerden wies das Landgericht
Koblenz als unbegründet zurück, da nicht von einem Verwertungsverbot
auszugehen sei und keine Strafbarkeit der den Datenankauf tätigenden
deutschen Beamten vorliege.
Gegen die gerichtlichen Entscheidungen erhob der Beschwerdeführer
Verfassungsbeschwerde und machte geltend, die Verwertung der auf der CD
vorhandenen Daten verletze ihn in seinem Recht auf ein faires Verfahren, in
seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht sowie in seinem Grundrecht auf
Unverletzlichkeit der Wohnung.
Die Verfassungsbeschwerde, so der Verfassungsgerichtshof, sei unbegründet.
Der Beschwerdeführer werde durch die angegriffenen Beschlüsse nicht in
seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt. In verfassungsrechtlicher
Hinsicht führe selbst eine rechtswidrige Beweiserhebung nicht ohne weiteres
zu einem Verwertungsverbot. Denn im Rahmen der für die Beurteilung eines
fairen Verfahrens erforderlichen Gesamtschau seien nicht nur die Rechte des
Beschuldigten, sondern auch die Erfordernisse einer funktionstüchtigen
Strafrechtspflege in den Blick zu nehmen. Allerdings gebe es auch im
Strafverfahren keine Wahrheitsermittlung um jeden Preis. So könne die
verfassungsrechtliche Grenze etwa dann überschritten sein, wenn staatliche
Stellen bereits die Beweiserhebung allein an den engeren Voraussetzungen
eines Beweisverwertungsverbotes ausrichteten. Die erhöhten Anforderungen an
ein verfassungsrechtliches Verwertungsverbot befreiten die zuständigen
Stellen nicht von ihrer Pflicht, nur in rechtskonformer Weise Beweise zu
erheben. Der Staat dürfe aus Eingriffen ohne Rechtsgrundlage grundsätzlich
keinen Nutzen ziehen. Im Hinblick auf den Ankauf von sog. Steuerdaten-CDs
gebe es zumindest eine unklare Rechtslage. Diese Art der Gewinnung von
Beweismitteln weiche deutlich vom Normalfall ab.
Bestünden daher greifbare Anhaltspunkte dafür, dass Informationen in
rechtswidriger oder gar strafbarer Weise gewonnen worden seien, so sei es
erforderlich, dass der Sachverhalt der Informationserhebung hinreichend
aufgeklärt werde. Im Falle eines Durchsuchungsbeschlusses seien dem Richter
alle entscheidungserheblichen Tatsachen mitzuteilen. Hierzu gehöre auch die
Abwägungsentscheidung der Steuerbehörden über den Ankauf der Daten. Gerichte
und Strafverfolgungsbehörden müssten gemeinsam die praktische Wirksamkeit
des Richtervorbehalts als Grundrechtssicherung gewährleisten. Die Gerichte
dürften insbesondere die Frage der möglichen Strafbarkeit deutscher Beamter
nicht dahinstehen lassen. Die Prüfungstiefe der angegriffenen
Gerichtsentscheidungen und deren tatsächliche Grundlagen seien gerade noch
ausreichend gewesen. Namentlich die Annahme, dass sich die deutschen Beamten
beim Ankauf der Daten nicht strafbar gemacht hätten, sei im Ergebnis
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine obergerichtliche Klärung
dieser Frage stehe gleichwohl noch aus.
Die rechtswidrige oder gar strafbare Erlangung eines Beweismittels durch
eine Privatperson führe nur in Ausnahmefällen zur Unverwertbarkeit dieses
Beweismittels im Strafverfahren. Auch unterliege es keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Gerichte in den angegriffenen
Entscheidungen das Handeln der Privatperson nicht der staatlichen Sphäre
zugerechnet hätten. Dabei seien die den Gerichten mitgeteilten Umstände
hinsichtlich des Datenerwerbs noch ausreichend gewesen für die Beurteilung
der Frage einer solchen Zurechnung. Eine Zurechnung sei verfassungsrechtlich
nicht geboten gewesen, da der Anbieter aus eigenem Antrieb gehandelt habe.
Die finanzielle Anreizwirkung für den Informanten durch frühere, vereinzelte
Ankäufe von Daten-CDs sei jedenfalls zum Zeitpunkt des Ankaufs der CD durch
das Land Rheinland-Pfalz noch nicht von derartigem Gewicht gewesen, dass der
Informant gleichsam als "verlängerter Arm" des Staates angesehen werden
könne.
Der Verfassungsgerichtshof weist jedoch darauf hin, dass in Zukunft eine
Situation entstehen könne, die es als gerechtfertigt erscheinen lasse, das
Handeln eines privaten Informanten der staatlichen Sphäre zuzurechnen. Die
Gerichte seien daher zukünftig gehalten, zu überprüfen, wie sich das Ausmaß
und der Grad der staatlichen Beteiligung hinsichtlich der Erlangung der
Daten darstellen. Für die Frage der Zurechnung könne auch ein gegebenenfalls
erheblicher Anstieg von Ankäufen ausländischer Bankdaten und eine damit
verbundene Anreizwirkung zur Beschaffung dieser Daten von Bedeutung sein.
Der Beschwerdeführer werde ferner nicht in seinem Recht auf informationelle
Selbstbestimmung nach Art. 4a LV verletzt, da die Verwertung der
personenbezogenen Daten die verfassungsrechtliche Pflicht einer wirksamen
staatlichen Strafverfolgung und Bekämpfung von Straftaten erfülle sowie der
Herstellung von Steuergerechtigkeit und der Gewährleistung eines gesicherten
Steueraufkommens diene. Ebenso liege kein Verstoß gegen das Grundrecht auf
Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 7 Abs. 1 LV vor.
Urteil vom 24. Februar 2014, Aktenzeichen VGH B 26/13