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DIE WILDGEWORDENE
PLAPPERMASCHINE IM KOPF
Was ist Bewußtheit?
Bevor wir auch nur daran zu denken beginnen, was die Antwort auf diese
Frage ist — halten wir kurz inne und schieben einen Test dazwischen:
Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, daß Ihr Gehirn die meiste Zeit über
einen ständigen inneren Monolog herunterhaspelt?
Nein?
Sie können es ganz einfach nachprüfen, wenn Sie einmal einen Spaziergang von etwa 1 Stunde machen, bei dem Sie weitgehend ungestört sind. Ich
empfehle sehr, diese kleine Übung wenigstens einmal auszuführen, auch
dann, wenn Sie denken, Sie wüßten bereits Bescheid.
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Es hat sich dabei um Ihr erstes eigenes Experiment in der Wissenschaft
der Bewußtheit gehandelt. Die Beobachtung, die Sie dabei machen können,
ist von grundlegender Bedeutung: Der innere Monolog vollzieht sich so gut
wie pausenlos. Er läßt sich nicht stoppen. Wenn Sie genau aufpassen, zeigen
sich jedoch zwei unterschiedliche Zustände: Das Gehaspel des Denkens, und
dazwischen, sehr selten, ein Aufblitzen von „Aha, jetzt bin ich wieder im
Hier und Jetzt!“
Grafisch läßt sich das so darstellen, wobei die Linien die Gedankenketten markieren und die Punkte das zwischenzeitliche Aufmerken:
_______ . __________________ . _________ . _____________
Bei diesem kurzen Aufblitzen nehmen Sie sich selbst inmitten Ihrer
Umgebung wahr. Dann wieder erfaßt Sie das Denken und Assoziieren wie
eine Woge, die über Ihrem Kopf zusammenschlägt.
Falls Sie noch denken, es sei schließlich Ihre eigene Entscheidung, weiterzudenken, machen Sie einfach eine Probe und versuchen Sie, nicht weiterzudenken — Sie werden sehen: Es klappt nicht!
SICH SELBST SEHEN
Woher erfahren wir das alles?
Wie gelangen wir dazu, solche Beobachtungen anzustellen?
Wie können wir wissen, was Gedankenketten sind?
Wie merken wir, wenn sie unterbrochen werden?
Ganz einfach: Das ist Bewußtheit.
Wir nehmen diese Beobachtungen nicht nur wahr — wir wissen sogar,
daß wir sie wahrnehmen und um was es sich handelt. Das ist „Sich selbst
sehen“.
Sich selbst sehen ist jedoch nicht leicht. Der ganze WEG besteht darin,
ertragen zu lernen, sich selbst zu sehen, ohne sich etwas vorzumachen, weil
das, was wir über uns selbst herausfinden, so unerträglich beschämend ist.
Wüßten wir auf einen Schlag die ganze Wahrheit, bekämen wir Angst,
verrückt zu werden.
Unser Gehirn ist ein Tollhaus. Nicht nur der Gedanken wegen — dahinter verbergen sich Gefühle, Träume, Hoffnungen, dahinter wiederum verbirgt sich Gier, Niedertracht, Eitelkeit, Boshaftigkeit, Haß, Neid, Eifersucht
— dahinter wiederum verbergen sich elementare Triebe und Impulse.