Hallo marple,
erstmal danke, dass Du nach einem langen Tag noch etwas geschrieben hast.
Der Fall, den Du schilderst, ist wirklich in vielem sehr ähnlich - auch bei Sachen, die ich nicht schon
oben selbst geschrieben hatte und die Du vielleicht deswegen als Parallele genannt hast.
Ein zum gesund-werden oder Probleme-überwinden nicht idealer "Urzustand" ist bei meiner Frau auch
gegeben, z.B. fehlt ihr jeder Ehrgeiz. Disziplin, Ordnung, sich Anstrengen, Ziele setzen und verfolgen,
sind alles nicht ihre Stärken und ich befürchte, dass sie das an unseren Sohn weitergibt (sie ist
allerdings sehr intelligent und hat ein 1er Abi).
Ich kann nicht verstehen, wie wenig sie investiert, um fitter zu werden. Sie müsste mal trainieren. Ich
hatte ihr vorgeschlagen, ihre täglichen Spaziergänge (i) jeden Tag etwas auszudehnen und (ii) in
Richtung Konditorei zu unternehmen, bis sie es wieder so weit schafft und sich dann zur Behlohnung
ein Stück ihres Lieblingskuchens kaufen kann. Die Idee fand sie super (warum ist sie nicht selbst darauf
gekommen???). Das war vor zwei Wochen und - du ahnst es - passiert ist nichts. Wenn wir zusammen
spazieren gehen, im Wald, wo sie gerne ist, dann schafft sie solche Strecken plötzlich doch.
D.h. sie läßt mich aus Bequemlichkeit Sachen für sich machen, die sie selber könnte, und das wird über
kurz oder lang zur Trennung führen, weil die Arbeitslast sowieso schon massiv ungleich verteilt ist.
Bei meiner Frau ist es ansonsten nicht ganz so schlimm wie bei Deiner Freundin, und es gibt auch ein
paar Unterschiede, z.B. behandelt sie mich gut, wird nicht aggressiv und ist für Hilfe dankbar und sieht
auch, dass ich etwas für mich tun muss. Es verläuft alles in gesitteteren, freundlicheren Bahnen,
aber bergauf geht's auch hier nicht wirklich.
Was ich mich in beiden Fällen frage ist, wie viel von dem Verhalten bewußt oder sogar bösartig ist und
wie viel unbewußt oder nur durch übertrieben Ängste oder falsche Glaubenssätze ("ich muss mich
schonen") getrieben ist. Bei meiner Frau weiß ich nicht, ob sie unbewußt vielleicht nicht gesund werden
will, weil sie ihre Hilfsbedürftigkeit mich an sie bindet. Wie ist das bei Deiner Freundin und warum bleibt
ihr Freund bei ihr? Haben die beiden Kinder?
Ich finde es gut, dass Du Deiner Freundin Contra gibts. Meine Frau hat i.W. eine beste Freundin, aber
die unterstützt sie eher und sagt (wie auch die Therapeutin) "schon dich erstmal, es muss halt
langsam besser werden und es ist ein weiter Weg". Davon kommt bei meiner Frau offenbar alles an,
ausser "besser". Von Leuten, die ihr Contra geben würden (evtl. ihr Bruder), schottet sie sich ab.
Die anderen (z.B. ich) sagen nichts, weil sie keine Krise auslösen wollen (die auch wirklich käme, das
habe ich oft genug gehabt).
Meinst Du, im Fall Deiner Freundin hätte man früher etwas erreichen können durch eine klare Ansage
wie "so geht das nicht weiter, du änderst dich oder ich bin weg"? Sie ist ja schon oft deswegen verlassen
worden, wusste das und hat sich nicht geändert? Was hätte man sonst machen können? Motivieren
im Stil eines (Motivations- oder Sport-) Trainers? Oder Selbstverständlichkeiten klar aussprechen, wie
"du hast das Klopapier alle gemacht, hol bitte neues"? (Das wäre mir bei unserem Kleinen ja schon fast
peinlich, sowas zu sagen, erst Recht bei einer erwachsenen Frau.)
Zu Deinem "Ich hätte jetzt auch gerne Macken und einen Pfleger dazu.
": kann ich gut nachvollziehen :-)
Zu Psychotherapeuten/innen: das sind m.E. arme Schweine im Vergleich zu anderen Ärzten. Sie
sollen am Gehirn etwas bewirken aber über das Gehirn weiß man wenig. Sie haben keine wirklich guten
Werkzeuge/Medikamente. Es komme immer wieder raus, dass der Erfolg einer Therapie vom
Therapeuten abhängt und nicht von der Methode. Sie haben enorme Rückfallquoten. Und ich glaube,
sie entwickeln als Selbstschutz Verdrängungsmechanismen, um das nicht zu bemerken. So können sie
immer weitermachen, ohne ihre Misserfolge zu sehen und so verbessert sich nichts.
Dass man mit 1-2h Gespräch pro Woche einen Menschen mit massiven Problemen nicht ändern kann,
ist m.E. für den gesunden Menschenverstand offensichtlich. Dazu kommt, dass die Kassen
ausgerechnet Analysen bezahlen, die endlos dauern und auch nicht mehr bringen, als viel kürzere,
direktere Herangehensweisen.
Es ist kein Wunder, dass sich in dem Bereich eine große Grauzone von alternativen Methoden gebildet
hat, die z.T. auch mehr Erfolge haben, weil sie bei der Behandlung mehr riskieren, mit Körperarbeit
kombiniert sind, o.ä.
Bei den Therapeutinnen meiner Frau habe ich die Erfahrung gemacht, dass sie das Umfeld (mich, meine
Schwiegereltern) bei ihren Empfehlungen an meine Frau völlig außen vor lassen. Mir sagte eine
sinngemäß "wer ein Problme mit dem Verhalten meiner Frau hat, soll sich selbst therapeutische Hilfe
holen". Das kann's natürlich nicht sein.