Heute konsumieren die Kids was ihnen die Industrie vorsetzt, und es gibt nichts mehr, was sie von zuhause mitbekommen hätten.
Falsch. Genau das bekommen sie von zu Hause mit: Medien zu nutzen. Fernsehen, Internet, Radio. Machen die Eltern nicht anders.
Weil auch schon die Eltern Informationen nur noch nach dem Agenda Setting der großen Unterhaltungsindustrie leiht bekömmlich verdauen. Was nicht medial stattfindet, findet gar nicht statt. Die Realität ist eine andere geworden als noch vor 50 Jahren. Real ist, was du mitgeteilt bekommst, für eigene Wahrnehmungen hast du kaum noch Gelegenheiten im Alltag. Oder besser gesagt - das Bewusstsein für Dinge, die nicht medial verarbeitet werden, schwindet.
Versuche einem leseungeübten Menschen Dickens, Dostojewski oder meinetwegen sogar Jules Verne nahezubringen, du stiftest nichts als Langeweile. Alles schon übertroffen gesehen, gehört, kürzer und verdaulicher zusammengefasst. Man braucht doch nicht 50 Seiten zu lesen, um eine Familie kennenzulernen. Da reicht der schnelle Schwenk über die Gesichter, die in Einheit mit Figur, Klamottenstil und Frisur leicht entschlüsselbare Mimiken zeigen und du "weißt", wer der Lächerliche, der Freak, die Zicke und die Gute ist. Der Rest ist dann noch einfacher.
Das ist ein Ausruhen aller zur Zeit vorhandenen Generationen in unserem Land auf leichte, ritualisierte Informationsaufnahme. Warum wird Sonntags Tatort geschaut? Welche Oma oder Mutter hat nicht wenigstens ihre eine Serie (meine hat 6!!). Tagesschau um 8 muss j wahr sein, schaut ja fast jeder. Auch das Meckern über die Un-Kultur der Jugend gehört da rein und ist nicht wirklich ein Ruf nach alter Bildung, sonder nach Einhaltung der Familienrituale. Deutschland hat sich arrangiert damit, nur noch zu fressen, was einem vorgesetzt wird.
Ich kotze grundsätzlich bei allen meinen Begegnungen mit anderen Menschen ab, dass es keine echt interessanten Gespräche mehr gibt. Oder man neue Impulse bekommt. Geschweige denn geben kann - es WILL sie keiner und du bist out.
Dass es in seltensten Fällen anders geht, hatte ich jetzt Samstag unerwarteter Weise bei einem Firmenfest meiner Druckerei - ziemlich bunt gemischtes Volk am Start, aber mein tollstes Live-Gespräch seit Monaten mit einem Handwerker und seinem Lebenspartner. Beide belesen, interessiert und redegewandt. 7 Stunden auf der harten Bierbank gingen rum wie nix und ich hab jede Menge Dinge gehört, die ich nachzulesen gedenke. Nicht im Internet. Nach anfänglichem Misstrauen einer (auch noch rothaarigen) Frau gegenüber, vergassen die beiden nach kurzer Zeit, dass sie eigentlich von Frauen nichts erwarten - alles "Hühner" - und fingen an, mich als nicht zwingend nur zu belehrendes Wesen zu behandeln. Als das geklärt war, lief es zu beiderseitigem Nutzen. Man wird sich wiedersehen.
Früher war man halt gebildet um der Bildung willen, heute braucht man zu allem ein "Warum?"
Auch damals gab es das warum, es war nur gnz einfach zu beantworten - zum weiteren Fortkommen. Heute lernst du, dass du auch - oder gerade - mit öffentlich zelebrierter Blödheit "weiter" kommen kannst, als mit einem Diplom.