Ich skizziere Euch kurz meine Situation: bin 46 Jahre alt, seit 17 Jahren verheiratet, das lang ersehnte Kind (… wir hatten vor über 10 Jahren auch künstl. Befruchtung probiert, es lag laut Urologen an mir) kam auf normalen Wege 2003, eigentlich wären wir eine glückliche Familie, mit eigenem Haus, beide mit an sich guten (aber auch anstrengenden) Jobs, der Junge top in Form.
Eigentlich mag ich meine Frau, wir haben eine ähnliche Wellenlänge, verstehen uns in vielen Dingen (Erziehung, Politik, Einstellungen etc.) oft ohne lange reden zu müssen, und ich könnte mir gut vorstellen, mit ihr alt zu werden (klingt blöd, ich weiß). Aber seit einem halben Jahr haben wir keinen Sex mehr gehabt, und das, weil ich sie nicht mehr begehre. Schon davor war es über Monate hinweg mühsam. Im Italienurlaub war meine Stimmung dann nochmal besser, aber danach ging’s mir auch nicht so, dass ich es unbedingt bald wieder hätte haben müssen.
Früher war es so, dass ich die treibende Kraft beim Sex war, sie lange ohne auskommen konnte. Ich weiß, dass mich das oft frustriert hat. Dann kam die Phase ungewollter Kinderlosigkeit, da musste es ja dann „auf Termin“ klappen mit der Lust, das fand ich irgendwann auch stressig, vor allem als es dann um ein 2. Kind ging. Dann so langsam der Übergang in die jetzige Phase. Kurz haben wir mal darüber geredet, schon vor einigen Monaten, ich hatte es etwas schuldgefühlgetönt angesprochen. Sie meinte, es sei für sie ja auch nicht so wichtig, oder dass sie es ja eh lange auch ohne aushalten könne (irgendwas in der Art).
Ich bin oft genervt, gereizt, etwa wenn sie Dinge nicht erledigt, sondern z. B. nach dem Einkauf lange rumstehen lässt, der Esstisch wieder mal von vielen Dingen (v. a. von ihr) belegt ist oder ihr Zeitmanagement wieder mal katastrophal ist (Arbeit mit nach Hause nehmen; Abendessen viel zu spät, so dass unser Sohn schon todmüde ist, etc.). Da bin ich sicher etwas zwanghaft oder zu anspruchsvoll. Schließlich schaut es trotzdem gut aus bei uns.
Aber ich zweifle an meinen Gefühlen für sie. Ich mag es aber nicht ansprechen, weil wenn ich sage „Du, ich weiß nicht, ob ich noch so die wahren Gefühle für Dich habe“, dann tut das weh und hinterlässt eine Unsicherheit, wie es weitergeht. Ich kann schließlich nicht voraussehen oder versprechen, dass es in drei Monaten anders sein wird.
An Trennung mag ich nicht ernsthaft denken, allein schon unseres Sohnes wegen. Ich hätte das Gefühl, sein Leben und auch das meiner Frau total zu zerstören. Wir müssten das Haus verkaufen, er würde mich und ich ihn vermissen (vielleicht sie dann plötzlich auch?), mit welchem Recht würde ich dies egoistisch tun? Sie würde aus allen Wolken fallen. Ich denke mir dann: vielleicht sind Beziehungen so, vor allem Ehen mit Kind, dass nach einigen Jahren das Feuer nahezu aus ist, und man eher funktionell zusammenlebt. Bei der Generation vor uns war das, glaube ich, sehr oft so. Sind wir heute so auf diesem Selbstverwirklichungstrip, der uns an wahren bzw. stabilen Beziehungen hindert?
Und ich habe Angst vor dem Allein-Sein, vor dem einsam in einer 2-Zimmer-Wohnung-Sitzen, wartend auf das Wochenende mit Sohn, unsicher in neuen Kontakten zu Frauen. Das sind alles so Phantasien, die in meinem Kopf ablaufen. Dann wieder der Gedanke: vielleicht bin ich ja nur depressiv, und dadurch libidogemindert. Aber anderweitig Interesse hätte ich schon. Oder die Arbeit ist zuviel (was sie auch ist), aber das allein erklärt es für mich nicht. Ich habe Angst vor einer Wahrheit, die ich erahne, aber vermeide. Oder gibt es eine Chance, wieder zu mehr Lust und Liebe zu kommen?
Es fällt mir nicht leicht, hier so anonym das alles zu schreiben, aber ich komme so im Moment nicht mehr klar.