Alle sagen immer mach irgendwas das dich ablenkt, und das klappt normalerweise in diesem Moment dann auch. Aber spätestens wenn ich 2 Sekunden alleine bin geht das alles wieder los
Das ist normal, das bleibt auch noch ne Weile so. Wenn dem nicht so wäre, hieße das, dass Dir die achtjährige Beziehung nichts bedeutet hätte. Die Rückkehr zum anderen Leben geschieht schrittweise. Trotzdem ist es wichtig, dass Du Dich zur Ablenkung zwingst, sonst läufst Du Gefahr, komplett in Grübelei zu versinken und Dich gedanklich im Kreise zu drehen.
Stand jetzt kann ich mir nicht vorstellen jemals jemand anderen zu wollen
Klar kannst Du das nicht, vor allem willst Du das momentan noch nicht. Das wird aber kommen. Bis dahin denk an die Zeit, bevor sie kam, da konntest Du Dir nicht vorstellen, sie zu wollen. Es gibt also einen solchen Zustand für Dich.
dass ich sie über alles geliebt habe und immernoch liebe,
... und auch gerne geliebt wurdest. Denn das ist das, was jetzt fehlt.
und ich kann mir nicht vorstellen dass es irgendwann aufhört dass mir schlecht wird wenn ich daran denke wie sie es mit einem anderen tut.
Mag sein, sowas gibt es. Mir wird immer schlecht, wenn ich an Lumbalpunktion denke.
Hier trifft Dich die Eifersucht, und dazu möchte ich Dir einige Gedanken von Max Frisch nahelegen:
Wenn es so weit ist: wenn der Blick zweier Augen, der Glanz eines vertrauten Gesichtes, den du jahrelang auf dich bezogen hast, plötzlich einem andern gilt; genau so. Ihre Hand, die dem andern in die Haare greift, du kennst sie. Es ist nur ein Scherz, ein Spiel, aber du kennst es. Gemeinsames und Vertrautes, jenseits des Sagbaren, sind an dieser Hand, und plötzlich siehst du es von außen, ihr Spiel, fühlend, daß es für ihre Hand wohl keinen Unterschied macht, wessen Haar sie verzaust, und daß alles, was du als euer Letzteigenes empfunden hast, auch ohne dich geht; genau so. Obschon du es aus Erfahrung weißt, wie auswechselbar der Liebespartner ist, bestürzt es dich. Nicht allein daß es nicht weitergeht, es bestürzt dich ein Verdacht, alles Gewesene betreffend, ein höhnisches Gefühl von Einsamkeit, so als wäre sie (du denkst sie auch schon ohne Namen) niemals bei dir gewesen, nur bei deinem Haar, bei deinem Geschlecht, das dich plötzlich ekelt, und als hätte sie dich, sooft sie deinen Namen nannte, jedesmal betrogen ...
Anderseits weißt du genau:
Auch sie ist nicht die einzigmögliche Partnerin deiner Liebe. Wäre sie nicht gewesen, hättest du deine Liebe an einer anderen erfahren. Im übrigen kennst du, was niemanden angeht, nur dich: deine Träume, die das Auswechselbare bis zum völlig Gesichtlosen treiben, und wenn du nicht ganz verlogen bist, kannst du dir nicht verhehlen, daß alles, was man gemeinsam erlebt und als ein Letztgemeinsames empfunden hat, auch ohne sie gegangen wäre; genau so. Nämlich so, wie es dir überhaupt möglich ist, und vielleicht, siehe da, ist es gar nicht jenes Auswechselbare, was im Augenblick, da ihre Hand in das andere Haar greift, einen so satanischen Stich gibt, im Gegenteil, es ist die Angst, daß es für ihre Hand vielleicht doch einen Unterschied macht. Keine Rede davon: Ihr seid nicht auswechselbar, du und er. Das Geschlecht, das allen gemeinsame, hat viele Provinzen, und du bist eine davon. Du kannst nicht über deine Grenzen hinaus, aber sie. Auch sie kann nicht über die ihren hinaus, gewiß, aber über deine; wie du über die ihren. Hast du nicht gewußt, daß wir alle begrenzt sind? Dieses Bewußtsein ist bitter schon im stillen, schon unter zwei Augen. Nun hast du das Gefühl wie jeder, dessen Grenzen überschritten wurde und dadurch sozusagen gezeigt, das Gefühl, daß sie dich an den Pranger stellt. Daher bleibt es nicht bei der Treue, hinzu kommt die Wut, die Wut der Scham, die den Eifersüchtigen oft gemein macht, rachsüchtig und dumm, die Angst, minderwertig zu sein. Plötzlich, in der Tat, kannst du es selber nicht mehr glauben, daß sie dich wirklich geliebt habe. Sie hat dich aber wirklich geliebt. Dich! aber du, wie gesagt, bist nicht alles, was in der Liebe möglich ist ... Auch er nicht! Auch sie nicht! Niemand! Daran müssen wir uns schon gewöhnen, denke ich, um nicht lächerlich zu werden, nicht verlogen zu werden, um nicht die Liebe schlechthin zu erwürgen.
Max Frisch: Tagebücher I 1946-1949