Autor Thema: Dostojewski, Tolstoi und andere  (Gelesen 26724 mal)

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Offline Teppichporsche

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Re:Dostojewski, Tolstoi und andere
« Antwort #45 am: 29. Januar 2010, 15:55:05 »
Geht nicht auf. Wenn ALLE Menschen sich umbringen, zeitgleich, gibt es keine Menschheit mehr. Ich befürchte, dass kommt einer grundlegenden Änderung sehr nahe.  8)

Richtig. Aber ich wollte vermeiden, das zu sagen.

Und vielleicht kann man sagen, dass unser Verhalten (Zerstörung der Erde) einem kollektivem Selbstmord ähnelt. Wer weiss?
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Conte Palmieri

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Re:Dostojewski, Tolstoi und andere
« Antwort #46 am: 29. Januar 2010, 16:38:31 »
Und vielleicht kann man sagen, dass unser Verhalten (Zerstörung der Erde) einem kollektivem Selbstmord ähnelt. Wer weiss?
Ich denke, eher nicht. Denn die Menschen zerstören die Erde nicht vorsätzlich, sondern aus Dummheit und Gier.

marple

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Re:Dostojewski, Tolstoi und andere
« Antwort #47 am: 31. Januar 2010, 15:12:05 »
Zu meinem Schnäppchen-Dostojewski-Kauf: Preis/Leistung stimmen.

Negativ:
-Die Taschenbucheinbände sind recht dünn, bei 1290 Seiten Karamasow habe ich Angst, das Buch im Laufe der Lesezeit in zwei Teile zu zerlegen.
-Ich musste mich an die neue Schreibweise der Namen und Gegenstände gewöhnen. Ein Samowar ist doch eigentlich schon eingedeutscht, genau wie der Name Simeon. Wieso da jetzt Ssámovar und Ssémjon stehen muss, ist mir unklar.
-Es scheint eine Beta-Ausgabe zu sein, Setzfehler (Buchstabendreher und Wortzusammenziehungen) kommen paar mal vor.
-Im Gegensatz zu den Aufbau-Ausgaben werden französische Gesprächselemente nicht im Anhang übersetzt - für einen Nichtfranzösischkönner wie mich ziemlich verstörend.
 
Positiv:
-Es gibt keine andere Gesamtausgabe zu DEM Preis.
-Das Design ist relativ unaufdringlich und gelungen.
-Die Übersetzung liest sich flüssiger und angenehmer, als meine alte Ausgabe.
-Im Anhang werden politische Zusammenhänge zu einzelnen auftauchenden Namen und Ideen besser erklärt.

Fazit:
Trotz der Einschränkungen empfehlenswert.

Offline Stachelhaut

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Re:Dostojewski, Tolstoi und andere
« Antwort #48 am: 31. Januar 2010, 15:15:43 »
Na ja, Deine E.K. Rahsin - Übersetzung ist ja auch schon ziemlich alt. Es gibt eine moderne aus dem Aufbau - Verlach, die aber von mehreren Übersetzern übersetzt wurde, und von durchwachsener Qualität sein soll. *klugscheiß

Frl. EDIT: Ich werde mir aber trotzdem mal die Version zulegen, die Du auch hast. Danke für den Tip!
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marple

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Re:Dostojewski, Tolstoi und andere
« Antwort #49 am: 31. Januar 2010, 15:39:04 »
Na ja, Deine E.K. Rahsin - Übersetzung ist ja auch schon ziemlich alt. Es gibt eine moderne aus dem Aufbau - Verlach, die aber von mehreren Übersetzern übersetzt wurde, und von durchwachsener Qualität sein soll. *klugscheiß

Ich hatte vorher aus der Bibliothek aber alte Aufbau-Bücher, älter als die Rahsin-Übersetzungen. Außerdem wurde diese Übersetzerin ja in Rosenkohls Artikel ausdrücklich gelobt. Mit der Übersetzung bin ich auch sehr zufrieden.

Kannste wirklich kaufen, preiswerter geht nicht. Die neuen Aufbau-Bände kosten pro Stück so etwa 20 Euro, rechne das mal 20 Bände...nee, letztendlich gehts um den Inhalt und nicht die Verpackung. Mir jedenfalls.

Yossarian

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marple

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Re:Dostojewski, Tolstoi und andere
« Antwort #51 am: 12. Dezember 2010, 19:10:53 »
Kann ich gut nachvollziehen, diese Animosität.

Jedes Mal, wenn ich bei ihm Szenen wilder Disskutiererei lese, möchte ich DA dabei sein. Unter diesen "galligen Russen", nicht bei irgendwelchen biederen "Unterhaltungen" in D.

Wobei natürlich die Frage bleibt, inwieweit seine Schilderungen intellektueller/reaktionärer/idealistischer Gespräche in seiner Zeit und Heimat real existierten.


Offline grashopper

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Re:Dostojewski, Tolstoi und andere
« Antwort #52 am: 12. Dezember 2010, 21:13:45 »
Da hat sich in BE seit 1875 nicht viel geändert ;D Nach einem halben Jahr Wohnsitz dort habe ich mich dann für eine tägliche Fahrgemeinschaft entschieden. Sonst wäre ich auch lebensmüde geworden :D Aber immerhin noch 9 Jahre dort gearbeitet. Ich kann den Mann nur zu gut verstehen ;D
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Yossarian

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Re:Dostojewski, Tolstoi und andere
« Antwort #53 am: 12. Dezember 2010, 21:29:41 »
Also ich finde Bad Ems ganz schön; es ist so herrlich morbide.

Offline Teppichporsche

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Re:Dostojewski, Tolstoi und andere
« Antwort #54 am: 25. Oktober 2011, 10:33:12 »
Vielleicht ist der Unterschied zwischen uns lediglich der, dass mich nicht "Wahrheit" sondern Lüge deprimiert. Gerade auch der von dir zitierte Artikel ist eben genau das, was ich an Dostojewski so hochaktuell finde. Mit einer Brillianz der knappesten Pointierung beschreibt er, wofür ich Seiten schreiben müsste, ohne je das Wesen dessen, was ich ausdrücken will, schriftlich greifen zu können.

Das finde ich wiederum sehr interessant. Ich z.B. sehe keinen Unterschied zwischen "Wahrheit" und Lüge, oder besser "Wahrheit" als Objekt, als etwas übermittelbares, gibt es -meiner Meinung nach- nicht. Und Wahrheit als unbewusstes Lügen zu bezeichnen, kann ich auch nicht mehr nachvollziehen.

Dostojewski erzählt uns wie jeder andere auch gerade nichts wahres. Er macht uns -und sich natürlich- etwas vor. Er schreibt halt gut. Das ist der einzige Unterschied. Dasselbe muss ich von meinem Helden Tucholsky sagen. Und allgemeiner: in Büchern stehen nur Lügen. Das ist simpel und nachweisbar.
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marple

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Re:Dostojewski, Tolstoi und andere
« Antwort #55 am: 25. Oktober 2011, 14:03:10 »
Und allgemeiner: in Büchern stehen nur Lügen. Das ist simpel und nachweisbar.

Wenn du individuelle Beschreibungen als Lüge begreifst. Woolsworthy wars, glaub ich, der gesagt hat - sich erinnern heisst erfinden.

Erfindungen sind nicht verlogener als die so genannte Wahrheit.

Insofern kann ich mit Büchern gut umgehen. Mit den "wahren" Erzählungen einiger meiner Mitmenschen eher nicht.

Das macht doch den Sinn des Lesens aus - du begibst dich in eine fremde Welt, auch wenn deine eigene Straße beschrieben wird.


TP, wenn du durch dein Weltverständnis deine Freude an Erfindungen und Lügengeschichten verlierst, verarmst du. Du beraubst dich der Magie von uraltem Gemurmel am Feuer.



Wir hatten das schon bei Feuchtwanger - da kann ich selbst nicht mehr unbefangen seine humanistischen Gedanken lesen, ohne an seine menschliche Kleinheit zu denken. Manchmal empfinde ich es als überaus traurig, mich ihm nicht mehr unbefangen hingeben zu können.  Insofern verstehe ich dich.


Was nun mein Zitat betrifft - ich werde im Gegensatz zu Coockie nicht von "relativ realitätsgetreuer Milieuschilderung" deprimiert, sondern von pinken Fairywelten mit hellblauen Nashörnern.
Aber - leben und leben lassen.

Wie immer. Momentan bin ich sowieso in einer klitzekleinen depressiven Stimmungskrise, insofern kann mich nicht mal Literatur - und sei sie noch so morbide - aufhellen.


Offline ElTorro

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Re:Dostojewski, Tolstoi und andere
« Antwort #56 am: 25. Oktober 2011, 15:18:39 »
Momentan bin ich sowieso in einer klitzekleinen depressiven Stimmungskrise

Was'n los? La Mama oder Poirot?

Offline Teppichporsche

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Re:Dostojewski, Tolstoi und andere
« Antwort #57 am: 25. Oktober 2011, 16:17:50 »
Wenn du individuelle Beschreibungen als Lüge begreifst. Woolsworthy wars, glaub ich, der gesagt hat - sich erinnern heisst erfinden.

Genauso. Ich gehe jetzt noch einen Schritt weiter: erst Erinnerung ermöglicht Illusion. Oder anders: Erinnerung ist die Ursache für z.B. Depression oder den ganz normalen menschlichen Wahnsinn.

Erkenn Erinnerung als das, was es ist und du bist frei.

Insofern kann ich mit Büchern gut umgehen. Mit den "wahren" Erzählungen einiger meiner Mitmenschen eher nicht.

Ich habe tatsächlich das Interesse an vielen Mitmenschen verloren, weil sie einfach vorhersehbar geworden sind. Der Mechanismus Mensch ist nicht so schwierig zu verstehen. Es geht hauptsächlich um Selbstbewahrung. Das ist die Triebfeder.

TP, wenn du durch dein Weltverständnis deine Freude an Erfindungen und Lügengeschichten verlierst, verarmst du. Du beraubst dich der Magie von uraltem Gemurmel am Feuer.

Keiner verliert seine Freude an Erfindungen und Lügengeschichten. Lediglich der Geschmack ändert sich. Und das ist normal. Was ich als Kind toll fand (Indianer- und Ritterromantik) finde ich heute etwas langweilig.

Wir hatten das schon bei Feuchtwanger - da kann ich selbst nicht mehr unbefangen seine humanistischen Gedanken lesen, ohne an seine menschliche Kleinheit zu denken. Manchmal empfinde ich es als überaus traurig, mich ihm nicht mehr unbefangen hingeben zu können.  Insofern verstehe ich dich.

Auch hier gehe ich weiter: die Desillusionierung betrifft nicht nur andere. Das Bild von mir selber hat auch Risse im Lack. Das macht das Bild aber eher interessanter, da Wahrheit (naja etwas das der Wahrheit näher kommt) eh immer interessanter ist als primitive Lüge.

Was nun mein Zitat betrifft - ich werde im Gegensatz zu Coockie nicht von "relativ realitätsgetreuer Milieuschilderung" deprimiert, sondern von pinken Fairywelten mit hellblauen Nashörnern. Aber - leben und leben lassen.
Wie immer. Momentan bin ich sowieso in einer klitzekleinen depressiven Stimmungskrise, insofern kann mich nicht mal Literatur - und sei sie noch so morbide - aufhellen.

Du wirst lachen, aber auch die relativ realitätsgetreue Milieuschilderung ist pure Erfindung genau wie die pinke Märchenwelt.

"Unser täglich Brot" ( http://www.unsertaeglichbrot.at/jart/projects/utb/website.jart ) ist genauso Fiktion wie Hanni und Nanni.

Edit: Aber ich bevorzuge "Unser täglich Brot". Reine Geschmacksfrage.
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Groucho Marx

marple

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Re:Dostojewski, Tolstoi und andere
« Antwort #58 am: 25. Oktober 2011, 19:16:17 »
Was'n los? La Mama oder Poirot?

Weder noch. Die Arbeit, die Überlastung. Ich schau mal wieder meinen Zimmerpflanzen beim Verwelken zu. Ich fühl mich überfordert und antworte mit Totalverweigerung tagsüber, um dann nachts vor lauter schlechtem Gewissen doch alles zu schaffen. Ist aber egal, ich kenn diese Phasen und das geht auch irgendwann wieder vorbei. Hauptsache, es merkt keiner in meinem Nahfeld.


Zum Thema:

Erkenn Erinnerung als das, was es ist und du bist frei.

Aha.

Nimms mir nicht übel, aber das ist unausgegoren.

Was ist denn Erinnerung? Die Summe deiner bisherigen Erfahrungen so, wie du sie glaubst, erlebt zu haben. Auch wenn du alles wegstreichst, von dem du weisst, dass du es weichzeichnest, übertreibst, total erfindest oder einfach nicht drüber nachdenken willst - bleibt immer noch der Bodensatz übrig, der dich zu dieser, deiner Erkenntnis gebracht hat.

Es macht dich aus. Nicht frei.


 

Offline Teppichporsche

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Re:Dostojewski, Tolstoi und andere
« Antwort #59 am: 25. Oktober 2011, 19:32:55 »
Aha.

Nimms mir nicht übel, aber das ist unausgegoren.  

Das ist nicht nur unausgegoren. Das ist gequirlte K.cke.  ;D ;D ;D ;D ;D ;D

Auch wenn du alles wegstreichst, von dem du weisst, dass du es weichzeichnest, übertreibst, total erfindest oder einfach nicht drüber nachdenken willst - bleibt immer noch der Bodensatz übrig, der dich zu dieser, deiner Erkenntnis gebracht hat.

Falls du genau das wirklich tun tätest, bliebe ... tatam ... NICHTS übrig. Ein überraschendes Nichts.

Es macht dich aus. Nicht frei.

Du hast Recht. Erinnerung definiert dein Selbstbild.

Edit: Und Erinnerung hat etwas mit Zeit zu tun. Ohne Zeit keine Erinnerung.
« Letzte Änderung: 25. Oktober 2011, 19:40:23 von Teppichporsche »
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Groucho Marx