Hallo zusammen,
ich bin neu hier im Forum. Ich bin darauf gestoßen, weil ich in eine extrem anstrengende und unsichere Situation geraten bin. Ich möchte das Ganze mal aufschreiben und begrüße eure Sichtweisen, Rückfragen und ggf. Ratschläge dazu.
Erst einmal die Basics:
Ich bin 42 Jahre alt. Meine Frau S. und ich sind seit 2005 zusammen, haben acht Jahre später geheiratet und mittlerweile zwei Kinder (aktuell 6 und 8 Jahre alt). Wir sind vor etwa anderthalb Monaten über eine größere Entfernung umgezogen, womit dann auch Schul- und Jobwechsel verbunden waren - und generell machen Umzüge so gar keinen Spaß… Aber wir haben alles gut überstanden.
Und nun zur Beziehungsebene:
Sowohl für mich als auch für meine Frau war es damals die erste echte Beziehung. Wir waren noch Studierende, sind viel gereist und alles war schön. Nach dem Studium dann Umzug in eine wesentlich größere Stadt, Vollzeit-Arbeit und dann kam Kind 1, das natürlich alles auf den Kopf stellte. S. ging in Elternzeit (nahtlos verlängert dann durch Kind 2) und hatte bis heute keinen Job mehr, der zu unserem Einkommen beigetragen hat. Ich verdiente recht gut und konnte mir auch mehrere Monate Elternzeit nehmen. Seit Kind 2 hatten wir auch meist ein Au-pair bei uns und noch eine Haushaltshilfe. Durch die Kinder hat sich in der Beziehung fast alles nur noch um, naja, die Kinder und den Haushalt gedreht. Auch die Freiräume, die wir uns durch die Hilfen erkauft haben, nutzten wir einerseits für Orga und S. für den Abschluss eines Studiums. Ich war die ganze Zeit vollzeit angestellt und habe praktisch die komplette finanzielle und die meiste organisatorische Verantwortung (bis heute). Fast unnötig zu sagen, dass unter diesen Umständen auch sexuell kaum bis gar nichts mehr lief.
Ich litt zunehmend innerlich (ich bin eher introvertiert und habe seit jeher Probleme, meine eigenen Bedürfnisse und Gefühle klar wahrzunehmen) und habe deshalb 2018 eine Psychotherapie begonnen, die etwa zwei Jahre lief und die Teil meiner “Selbstfindung” war. Letztlich tat ich das auch für die Familie, denn ich durfte auf keinen Fall (etwa durch Depression) ausfallen und ich wollte (und will) ein glücklicher Vater sein, der so auch ein gesundes Vorbild für die Kinder ist. Und ja, ich wollte auch mich selbst und meine Gefühle besser verstehen.
Der Weg in die Krise:
Ich weiß nicht mehr genau, wann es war. Ich schätze, es war etwa 2018 als meine Frau mit mir reden wollte. Sie befand sich in einem emotionalen Dilemma. Ein alter Freund, für den sie (bereits seit vielen Jahren) starke Gefühle hatte, sollte in die Stadt kommen und sie wollte mit ihm klären, was er evtl. für sie empfand. (Ich wusste schon lange von seiner Existenz, doch war er meist nur “geisterhaft” da, reiste wohl viel und antwortete, wenn überhaupt, nur sehr selten auf Nachrichten.) Nun, S. fragte mich, ob es OK sei, wenn sich da etwas ergäbe… Sie wollte aber auch mich nicht verlieren. Ich wusste, wie sehr sie an ihm hing und wollte ihrem Glück nicht im Wege stehen. Wir nutzten das Schlagwort “Polyamorie” und ich überwand meine Eifersucht und gab ihr meinen Segen, ihr Glück zu suchen. Wichtigste Übereinkunft: Familie bzw. Kinder haben immer höchste Priorität und wir würden auch in jedem Fall weiter als Familie zusammen wohnen. - Nun, aus diesem Treffen erwuchs meines Wissens nichts - außer weitere Spekulationen und Nachrichten und Warten und Unklarheit.
In der Psychotherapie besprach ich das auch. Meine Therapeutin wies mich darauf hin, dass die Freiheit, die ich S. geschenkt hatte, ja auch für mich gelten würde. Und so ging meine Reise, meine Gefühle und Bedürfnisse zu erforschen weiter. Bei S. war es ganz ähnlich, wenn auch stets auf den alten Freund fixiert. Mitunter regte mich das auch auf, wenn es z.B. wichtige Entscheidungen blockierte und ich drängte zunehmend auf eine Klärung. Ich sagte ihr sogar wörtlich, sie solle ihn besuchen, zu ihm fliegen und ihn zur Rede stellen. Diese vage Unklarheit war dann auch für mich nur schwer auszuhalten.
Nun, mitten in diesem Gefühlsmix sprach sie dann Anfang 2020 erneut mit mir. Ihre Beschäftigung mit sich selbst und ihren Gefühlen habe ihr nun klar gemacht, dass ich damals (2005) nur eine Art “Lückenfüller” gewesen sei, um den Abschied von dem alten Freund zu überwinden… Auf ihre Worte habe ich äußerlich nicht stark reagiert, aber die Nachricht, die bei mir ankam, war, dass all die Jahre quasi nichts echt war und ich einfach nur der bequeme Lückenfüller (ja, inkl. Kindern) gewesen war. Spätestens zu diesem Zeitpunkt waren alle romantischen Gefühle zu ihr erloschen - und es blieb ganz viel Verantwortungsbewusstsein und Funktionieren-müssen für die Familie und die Kinder. Nebenbei bemerkte S. irgendwann auch, dass Polyamorie nichts für sie sei. Daraus folgte dann für mich auch logisch, dass es mit mir - zumindest auf der Schiene - zuende war. Ihr Verhalten im Folgenden passte dann auch dazu. Sie fand online einen Kontakt und flirtete mit ihm. Ich fuhr fort, meine Freiheit zu entdecken und schaute mich auch online nach neuen Kontakten um, wovon ich S. aber nichts erzählte.
Juli 2021 stand der große Umzug an. Geplant war das neue Zuhause als “Eltern-WG”, also mit getrennten Zimmern für S. und mich. So würden wir zusammen wohnen und könnten uns weiter gut um die Kinder kümmern. Ich googelte den Begriff, fand das Konzept toll und so ging es dann los.
Ein paar Wochen vor dem Umzug lernte ich online jemanden kennen. Wir trafen uns, es funkte und so verliebten wir uns. Ich war von Beginn komplett transparent über meine Verhältnisse. Für sie (in meinem Alter, selbst getrennt mit Kindern und eigenem Haushalt) war das OK. Selbst als ich eröffnete, dass ich dann umziehen würde, blieb unser (noch zartes) Band bestehen, wir wollten dann eine Fernbeziehung. Ich könnte hier viel schwadronieren, wie toll, stark und verständnisvoll diese Frau ist, doch das erspare ich euch. Kurzum: Ich hatte mich echt verliebt.
Nun war die Zeit vor dem Umzug extrem stressig für uns alle. Abschiede, Orga des Neuen, Sortieren und Packen, die Kinder begleiten, … uff. Daher wollte ich meiner Frau erst nach dem Umzug von meiner neuen Beziehung erzählen, was ich dann auch vor mittlerweile einem Monat tat. Ich erwartete keine großen Turbulenzen, war sie doch noch am flirten via Facebook und auch sonst guter Dinge.
Die Krise:
S. fiel aus allen Wolken. Sie war total überrascht und und letztlich am Boden zerstört. Sie wollte hier alles neu aufbauen und keinen “Eindringling” von außen. Eifersucht flammte auf, richtige Dramen entfalteten sich. Ich war ebenfalls unglaublich überrascht von ihrer Reaktion. Hatten wir das nicht so geplant, dass genau dafür Raum ist? Von einer “Eltern-WG” (obwohl sie ursprünglich das Konzept sogar vorgeschlagen hatte) wollte sie nichts mehr wissen. Sie könne unmöglich in einem Haushalt mit mir leben, wenn sie wüsste, dass ich eine andere Beziehung habe. Ich legte dar, dass ich weiterhin voll da bin und sein werde - so wie all die Jahre davor - und vielleicht nur ein oder zwei Wochenenden im Monat, wenn es passt, weg bin. Aus meiner Sicht würde sich für sie rein gar nichts ändern.
Aber für sie hatte sich jetzt plötzlich ALLES geändert. Sie sagte dann auch Sachen wie, dass sie sich überlegt hatte, es jetzt am neuen Ort ganz neu mit mir zu versuchen. Die getrennten Schlafzimmer waren nur, um keine falschen Erwartungen zu wecken… In den letzten Gesprächen offenbarte sie, wie sehr sie mich noch lieben würde und jetzt “all in” sei, mit dem alten Freund habe sie nun abgeschlossen und das Online-Flirten habe ihr gezeigt, dass sie gar keinen neuen Menschen kennenlernen will.
Phasenweise bricht sie nun regelrecht zusammen, macht sich Schuldvorwürfe und sieht überhaupt gar keine Zukunft mehr für irgendwas. Das ging jetzt manchmal sogar so weit, dass ich mir Sorgen machen musste, ob sie sich was antut. Manchmal spielt sich das Drama vor den Kindern ab, die es natürlich total verstört und was für mich besonders schlimm ist. Ich bleibe meist ruhig und empathisch und zeige Verständnis für ihre Gefühle. Doch ich sage ihr auch ganz klar, dass ich keinen Neubeginn unserer Beziehung sehe, eben weil ich verliebt bin in jemand anderen. Der Eltern-WG-Plan war doch gut... An dem Punkt geht es dann schnell um Auszug, getrennt leben, sie würde Kind 2 mitnehmen… Klar macht mir sowas total Angst, das wollte ich nie. Und ich mache mir auch Sorgen um sie, denn sie hat kein eigenes Einkommen und jetzt hier eine eigene Wohnung finden und beziehen… Und was sagt man den Kindern?
Ich bin mittlerweile ziemlich ausgelaugt und am Limit. Ich kann und will meine neue Liebe nicht wegen den Gefühlen von S. aufgeben. Ich kann und will meine Kinder aber auch nicht da mit reinziehen. S. ist derzeit so labil, dass ich mir auch nicht vorstellen kann, eine sooo sehr gewünschte Reise zu M. anzutreten. Ich wüsste dann schlicht nicht, was hier zu Hause passiert.
Es ist gerade echt schwer auszuhalten. Ich plädiere S. gegenüber für eine ruhige und vernünftige Lösung, gerade auch der Kinder wegen. Doch, wie gesagt, ich wollte und will gar nicht, dass sie auszieht. Sie sagt, sie hat erst jetzt realisiert, was sie angerichtet hat, dass die Beziehung so kaputt ist… Ich sage, dass das für mich schon lange so war und sich aus meiner Sicht eigentlich nichts geändert hat. Wir sind weiter gute Eltern, kümmern uns gemeinsam um Haushalt und Kinder und suchen sonst anders unser Glück. Aber davon will sie jetzt rein gar nichts mehr wissen. Entweder komme ich (all in) zurück oder sie muss ausziehen, weil sie es nicht aushält.
Wir haben einen gemeinsamen Beratungstermin am 21.9. - Dort hoffe ich auf professionelle Begleitung, denn diese Labilität und die starken Emotionen ihrerseits überfordern mich.
Das ist meine Geschichte und meine aktuelle Situation.