Das Interview mit Kanitscheider zeigt für einen Philosophen eine ungewöhnliche Zweidimensionalität der Denkwelt. Eigentlich exakt der Typ des heutigen Wissenschaftsgläubigen: Alles, was nicht mit Mitteln der Wissenschaft bzw. Logik (das Labor lässt grüßen) widerlegt werden kann, ist nicht diskutabel. Metaphysische Annahmen haben demnach keine Daseinsberechtigung. Der Wissenschaftler sei zudem als Atheist "ehrlicher" als der Agnostiker. Schon das bloße Fürmöglichhalten von allem, was Religion transportiert, wird also negiert. Insgesamt eine schwache Leistung - das Aufsetzen von Scheuklappen zur Philosopie erhoben.
Interessanter als der Monolog von Kanitscheider ist das Streitgespräch mit dem Theologen Lüke (Spektrum der Wissenschaft 6/2000, S. 82):
Lässt sich die Frage nach Gott mit der Wissenschaft vereinbaren?Lüke beschreibt hier gut, wie der Wissenschaftsgläubige unbedingt in seiner Selbstherrlichkeit ohne Transzendentes oder Metaphysisches auszukommen versucht und daran schon grundlegend methodisch scheitert:
Lüke: Der Naturalismus hat metaphysische Voraussetzungen, die er selbst nicht reflektieren kann oder will. Sie wollen Ihren Naturalismus gern transzendenzresistent machen, aber die hinzugezogene Naturwissenschaft liefert schon infolge ihrer Ergebnisoffenheit nicht das dazu notwendige und hinreichende immanente Immunisierungsmaterial.