Manchmal könnte ich Kotzen.
Da kriege ich heute eine Ermittlungsakte rein. Ich vertrete den Mandanten eigentlich in einer Familiensache, weiß aber auch, daß er in seinen jungen, wilden Jahren ein "schlimmer Finger" war. Heute ist er sauber und alle Vorstrafen sind inzwischen aus dem Bundeszentralregister gelöscht.
Einer seiner alten "Freunde" von der Kripo hat ihn auf dem Kieker. Er kann gar nicht verstehen, daß mein Mandant solide geworden ist. Es ergibt sich eine Gelegenheit, meinen Mandanten als Zeugen in einem Ermittlungsverfahren vorzuladen. Dummerweise verplappert sich der Bulle, und es rutscht ihm raus, daß er ihn gerne erkennungsdienstlich behandeln will und dann gegen ihn als
Beschuldigten wegen Diebstahls ermitteln. Hätte er gerne gehabt. Unter diesen Voraussetzungen kommt mein Mandant keiner Ladung nach.
Das war vor fast einem Jahr, und vor drei Monaten steht der Bulle "plötzlich" mit einem Durchsuchungsbeschluß in der Tür.
Ja nee, is klar. Wenn mein Mandant vor einem Jahr was klaut, läßt er es mindestens dreiviertel Jahr in seiner Wohnung rumliegen. Damit das Diebesgut gut abgehangen ist, oder so.
Nicht, daß es nicht auch völlig blöde Kriminelle gäbe, bei denen man nach 9 Monaten noch was finden würde...
Gefunden wurde jedenfalls erwartungsgemäß nichts, und jetzt läßt man sich endlich herab, dem Verteidiger mal die Ermittlungsakte zur Einsicht zuzusenden.
Die angebliche Geschädigte hatte zunächst eine Strafanzeige gegen unbekannt wegen Raubes und Vergewaltigung gestellt. Sie sei in der Nacht beraubt worden, und außerdem habe ein fremder Kerl sich zu ihr ins Bett gelegt; frau wisse ja nicht, was der da so mit ihr getrieben habe, sie habe immer noch Angst. Aus dem Grund war die Polizei erst im Laufe des späten Vormittages
alarmiert worden und nicht gleich in der Nacht.
Aus dem Grund, und weil die angebliche Geschädigte beim Eintreffen der Polizei immer noch so stark nach Alkohol stank, daß die Beamten sie erst einmal pusten ließen. 2,59 pro mille am späten Vormittag des Tages nach dem Saufgelage. Respekt. Da weiß frau schon mal nicht mehr, ob sie vergewaltigt wurde. Aber behaupten kann frau es ja mal. So sicherheitshalber.
Mit fast 3 pro mille wüßte ich am nächsten Morgen jedenfalls auch nicht mehr, wer in der Nacht alles bei mir im Bett war und was die mit mir getrieben haben.
Es stellt sich heraus, daß sie im Suff den Schlüssel der Wohnungstür außen stecken gelassen hatte. Da konnte jeder, der im Treppenhaus gewesen ist, zu ihr rein in die Wohnung. Keiner weiß, wer da im Treppenhaus der Mietskaserne alles unterwegs war in dieser Nacht.
Zum Beispiel mein Mandant. Der - von einer anderen Zechtour kommend - einen besoffenen Kumpel nach Hause brachte, der im selben Haus wohnt wie die angebliche Geschädigte und es alleine nicht mehr die Treppe hochgeschafft hätte.
Ist klar. Wenn mein Mandant da war - was wir auch nie bestritten hatten - dann hat er auch die Geschädigte beklaut. Ist einfach in die Wohnung reingegangen und mit schlafwandlerischer Sicherheit sofort an die richtige Schublade mit dem Schmuck gegangen.
Ich meine, wenn man ihm schon keine Vergewaltigung und keinen Raub anhängen kann, dann muß doch wenigstens ein einfacher Diebstahl an ihm hängen bleiben. Geht ja gar nicht, daß der ungeschoren davonkommt. Denkt der Polizist.
Sollte man denn da nicht vielleicht einfach mal ein paar Leuten den Baseballschläger überziehen? Der "Vergewaltigung!" schreienden Wodkaschlampe zum Beispiel? Oder dem Bullen, der sich die Wirklichkeit so zurechtbiegt, daß sie in sein kleines Hirn paßt?
Manchmal bin ich einfach nur müde...