Wenn ich das jetzt alles richtig gelesen habe, sind die Sekretärinnen krank oder in Urlaub oder was auch immer. Wenn sich der Rest der Bürogemeinschaft dann auch nicht dazu erbarmt hat, sind über Nacht wahrscheinlich auch keine Heinzelmännchen, Küchenfeen oder ähnliches gekommen, um das Chaos zu beseitigen.
Das Kaffekränzchen bestand aus der Kollegin, die gestern nicht da war, einer Sekretärin, die ab heute in Urlaub war sowie der "Sekretärin" der Kollegin, die gestern nicht da war und die - die "Sekretärin" - sowieso nur einen Tag in der Woche da ist. Wenn die Weiber nichts zu tun haben - also fast immer - und müde vom Wichtigtun sind, dann werden im Zimmer der Kollegin Tortenschlachten geschlagen. Da die Damen zwar ein ganz normales Kaffeekränzchen abhalten, dessen Gegacker man durchs ganze Büro hört, andererseits aber nach außen die wichtige berufstätige Frau markiert wird, hat frau eine prima Ausrede, ihren Scheißdreck nicht wegräumen zu müssen; denn frau ist ja eine erfolgreiche und wichtige Anwältin, Sekretärin laberrhabarbersülz und hat bei all
dem wichtigen Gegacker der anstrengenden und wichtgen Arbeit keine Zeit und Energie mehr, in die Niederungen des Geschirrwaschens herabzusteigen, dafür ist frau dann
nach dem wichtigen Gegacker nach dem anstrengenden Tagwerk zu erschöpft.
Merke: Wenn frau eine Putzfrau hat, dann braucht sie das, weil ihr Beruf sie so stark in Anspruch nimmt. Wenn ein Mann eine Putzfrau hat, dann ist er eine faule Socke und will sich bloß vor der Hausarbeit drücken.
Die "Sekretärin" der Kollegin, die gestern nicht da war - also die Frau, die auf deren Lohnliste steht und zum Glück nur einen Tag in der Woche auftaucht - ist das größte anzunehmende Desaster, das in einem Büro einschlagen kann, und eigentlich sollten wir von ihr im Voraus Schadensersatz nehmen, damit wir sie überhaupt ins Büro lassen. Im Gegensatz zu unsrem Deichgrafen bedient sie die Telefonanlage, aber manchmal wäre mir lieber, sie ließe die Finger davon. Sie ist halb taub aber zu eitel nachzufragen, also bekomme ich die tollsten phonetischen Interpretationen des Namens eines Anrufers durchgestellt und bin immer wieder überrascht, wen ich da dann tatsächlich an der Strippe habe. Wenn ich - was gelegentlich vorkommt - eine besondere Nervensäge (Mandant oder Gegner) nicht sprechen möchte und ihr das am Morgen wenn sie reinkommt mitteile, dann kann ich sicher sein, daß sie das nach fünf Minuten vergessen hat und spätestens der dritte durchgestellte Anrufer genau der ist, den ich an dem Tag nicht sprechen wollte. Wenn ein Anrufer besonders wichtig tut, wird er sofort zu mir durchgestellt; dies besonders dann, wenn ich einen Mandanten vor mir sitzen habe mit dem ich seine Sache in Ruhe besprechen möchte oder an einem komplizierten Schriftsatz sitze und mich konzentrieren muß. Besonders wichtige Anrufer sind insbesondere*Telefondrücker*, die tun nämlich immer besonders wichtig. Juristische Fachverlage beschäftigen offensichtlich Legionen von Telefonverkäufern - was ist eigentlich aus der guten alten Buchhandlung geworden, bei der man auf dem Weg zum oder vom Gericht mal reingeschaut hat, wenn man ein Buch zu irgendeinem Thema brauchte? Den Knaller hat diese Ziege letzte Woche abgschossen, als aus meinem Fax ein fertig ausgefülltes Vertragswerk für einen Telefonbuchabzockverein quoll - 24-Punkt Schrift, Foto und Leuchtreklame drumherum für schlappe 600 Ocken netto jährlich mit zweijähriger Mindestlaufzeit - mit der Bitte, das wie mit der Frau K. - genau die! - aus dem Sekretariat besprochen zu unterschreiben und zurückzufaxen.
Dabei haben wir im Büro inzwischen echte feministische Seilschaften. Die Sekretärin unseres senilen Deichgrafen meldet sich nämlich in Momenten, in denen sie sich unbeobachtet fühlt am Telefon nicht mit "Anwalts- und Notariatskanzlei", sondern mit "Anwaltskanzlei M." - M. ist die Kollegin, die gestern nicht da war und die das Zentrum des Kaffeekränzchens bildet. Die Sprachregelung am Telefon ist deshalb so wichtig, weil wir nicht Sozietät, sondern Bürogemeischaft sind, d.h. wr teilen uns nur die Kosten, aber nicht die Gewinne. Es ist also bei unbekannten / neuen Mandaten drauf zu achten herauszubekommen, zu wem von uns der- / diejenige will, damit wir uns nicht gegenseitig die Kundschaft abjagen.