So fängt die Woche gut an:
Eine etwas einfach gestrickte, aber ganz liebe AlG2-Empfängerin betritt den Laden im Beisein ihrer zwei erwachsenen Söhne (für Romfahrer: ungefähr ganz genau das Kaliber wie die beiden Vollspacken im Museum), mit denen sie geschlagen ist.
Die Frau hat ein Problem, bei dem man ihr helfen kann; leider hat sie einen wichtigen Brief vergessen, mitzubringen, und heute läuft die Widerspruchsfrist ab.
Einer ihrer schwachsinnigen Söhne hat angeblich ein größeren Problem (Zum Glück ist das der von den beiden, der nicht mehr bei ihr wohnt): Ihm wurde eine Sanktion in Höhe von 100 % der Leistung angedroht.
Aha, dann geht es also nicht um die erste Sanktion.
Worum es denn ginge?
Er habe seinen Job verloren.
Warum?
Ja, er sei "unzureichend auf der Arbeit erschienen".
Was ich mir denn darunter vorzustellen habe?
Naja, daß er eben unzureichend auf der Arbeit erschienen sei.
Aha.
Interpretiere ich das richtig, mein junger Freund, daß Du erhöhte Fehlzeiten hattest?
Ja, das könne man sagen.
Hm, krank gewesen oder blau gemacht?
Blau gemacht.
Is recht, und wie kann ich da jetzt weiterhelfen?
Ja, die Sanktionen sind doch verfassungswidrig.
Ich staune. Sollte mir da eine Entscheidung des Bundessozialgerichts von grundsätzlicher Bedeutung oder gar eine solche des Bundesverfassungsgerichts entgangen sein? Eher unwahrscheinlich.
Da die Mutter und der andere Bruder anwesend waren, unterdrücke ich mit Mühe den Impuls, dem die ganze Zeit frech grinsenden Nichtsnutz erst eine in die Fresse zu hauen und ihn dann hier im dritten Stock aus dem Fenster zu werfen.
Stattdessen erkläre ich ihm in aller Seelenruhe, daß derartige Sanktionen leicht zu vermeiden seien, wenn man schlicht und einfach regelmäßig zur Arbeit geht. Seine Mindermeinung zum Thema Verfassungswidrigkeit von Sanktionen würde das örtliche Sozialgericht wenig interessieren, aber wenn er mir 5.000 € bar auf den Tisch legt, würde ich mir gerne eine Pappnase aufsetzen und eine brüllend komische Verfassungsbeschwerde loslassen.
Irgendwie hat er leider gerade nicht genug Bares einstecken.
Als ich ihn rauskomplimentiere, nölt er trotzig weiter, daß die Sanktionen verfassungswidrig seien, worauf ich meine, daß mir das ehrlich gesagt in seinem Fall scheißegal sei, da ich nicht einsähe, mit meinen Steuergeldern seine Faulheit zu finanzieren. Er solle gefälligst Arbeiiten gehen wie alle anderen auch.
Wahrscheinlich bin ich für ihn jetzt der schlechteste Anwalt überhaupt.