Ich weiß, daß ich jetzt wieder mal Perlen vor eine einzelne Sau werfe, aber sei´s drum. Ich versuche, es einfach zu machen.
Ausgangssituation: Student will Fach wechseln und weiter BAföG beziehen. Er hat keine Ahnung, welche Gründe durchgehen und hat sich auch nicht vorher darüber informiert (BAföG-Beratung des lokalen AStA etc.)
System Simple:
1. Student stellt Antrag bei BAföG-Amt und begründet seine ganz persönlichen, subjektiven Gründe hierfür herzzerreißend (Habe im neuen Fach mehr Zeit, meiner kranken Großmutter Wein und Kuchen zu bringen u.ä.).
2. Antrag wird abgelehnt.
3. Student legt Widerspruch ein und trägt die selben Gründe noch inniger und ausführlicher und mit richtig viel Herzblut vor. Umfang ist wichtig, er sollte die Seitenzahl von "Krieg und Frieden" möglichst nicht unterschreiten (vulgo: Sich um Kopf und Kragen reden). Bedienstete im BAföG-Amt haben allesamt Langeweile und freuen sich über jede Lektüre, die sie kriegen können, um die Zeit totzuschlagen.
4. Widerspruch wird zurückgewiesen. Das gelangweilte BAföG-Amt wiederholt die Begründung aus dem Ausgangsbescheid, weil im Widerspruchsbescheid ja nicht wirklich Neues / Wichtiges / Richtiges vorgetragen wurde.
System Yossie:
1 und 2 wie gehabt
3. Widerspruch ohne Begründung und Anforderung der Akte des BAföG-Amtes.
3a. Sichten der Akte in der Kanzlei mit besonderem Augenmerk auf interne Vermerke, Entscheidungsvorlagen / -rückfragen beim Vorgesetzten, Suchen nach Formfehlern (z.B. Fehler bei Ermessensausübungen).
3b. Rücksprache mit dem Mandanten. In der Zwischenzeit abklären, ob die (dummerweise) bereits vorgetragenen Gründe überhaupt geeignet sind, das Begehren des Studenten zu tragen, oder ob diese nicht vielleicht sogar kontraproduktiv sind.
3c. Den Studenten nötigenfalls fragen, ob es denn nicht noch andere Gründe gibt, die er einfach nur vergessen hat, vorzutragen. Eine kleine Liste, welche Gründe von den Verwaltungsgerichten anerkannt werden und welche unter dem Titel "Dumm gelaufen / allgemeines Lebensrisiko" abgehakt werden, ist der Gewissensforschung des Studenten, ob er vielleicht Gründe vergessen hat, anzuführen, möglicherweise dienlich.
3d. Kurzes Schreiben (vulgo: Widerspruchsbegründung) an das BAföG-Amt, Hinweise auf Blatt soundsoviel der Akten, wo Formalkram zu bekritteln ist, dabei die üblichen Zauberworte fallen lassen (nein, nicht "Bitte" und "Danke"; eher so was wie "fehlende Ermessensausübung" und ähnliches dummes, juristisches Zeug, das man vor 40 Jahren auf der Uni mitbekommen hat). Unterfüttern des bisherigen Vortrags des Studenten mit Berichtigungen (klassisch: "der rechtunkundige Widerspruchsführer hat das nicht soundso, sondern soundso gemeint") und gegebenenfalls Nachschieben neuer, "vergessener" Gründe. Wichtig ist, nicht Masse zu produzieren, sondern kurz, knapp und präzise zu sein (eher hemingway´sche Short Story als Tolstoi) und - superwichtig! - Belege beifügen.
3e. Weicht die Rechtsauffassung des BAföG-Amtes erkennbar und bekanntermaßen von der Rechtsprechung des örtlichen Verwaltungsgerichts ab, Punkt 3d weglassen und dem BAföG-Amt mitteilen, daß es schnellstmöglich über den Widerspruch nach Aktenlage entscheiden soll, damit man schneller beim Verwaltungsgericht ist (das kann man ruhig wörtlich so reinschreiben; manchmal setzt das Erkenntnisprozesse beim Amt in Gang), und das Gericht die Watschen schneller verteilen kann.
4. Widerspruch erfolgreich oder auch nicht (siehe 3e.) Klage beim Verwaltungsgericht - die ist gerichtskostenfrei.
Den Amtsermittlungsgrundsatz gibt es zwar, aber jeder Rechtsbehelf lebt letztlich von seiner möglichst überzeugenden Begründung.
Ach, ist das so?
Wir hatten hier einen jungen Studenten
Darf ich in dem Zusammenhang mal fragen, wer "wir" ist?
die ganze akademische Zukunft kosten kann.
Oder auch nicht.
Den "wichtigen Grund" für den Studienplatzwechsel muss der Student liefern, je umfangreicher und plausibler dargelegt, desto besser.
Na das hatte bei "Deinem" Studenten wohl nicht so geklappt, was?
Und das sollte eben gerade jetzt im Widerspruchsverfahren geschehen, denn danach bleibt nur noch das Klageverfahren vorm Verwaltungsgericht, was locker ein Jahr oder länger dauern kann, von den Kosten und der ungewissen Erfolgsaussicht ganz zu schweigen.
Zu Kosten und Erfolgsaussicht siehe oben.
Den "wichtigen Grund" kann die Behörde übrigens auch gar nicht "von Amts wegen ermitteln", weil es üblicher Weise Gründe im ganz persönlichen Empfindungsbereich des Studenten in Form von Neigungen und Interessen im Hinblick auf die eigene Berufswahl sind. Da die Behörde keinen Gedankenleseapparat hat, ist hier eine umfangreiche Darlegung der Gründe besonders empfehlenswert und auch sachdienlich.
So wie damals die Gewissensprüfung bei der Kriegsdienstverweigerung?
seine Zukunft verzocken.
...oder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden.