Nach 911 wurde mir in meiner Festanstellung eine Abmahnung angedroht: Ich hatte nach der Schweigeminute, zu der wir in den Konferenzsaal gerufen wurden, leise zu meiner Mitarbeiterin gesagt, dass ich hoffe, wir werden uns dann auch zu einer Schweigeminute versammeln, wenn die jetzt zu erwartenden zivilen Opfer im Irak die 3000er Grenze übersteigen.
Mag sein, dass das auch hier ein Grund für eine Abmahnung ist - ich will und werde keine Opfer gegeneinander aufrechnen. Das habe ich auch damals NICHT gemeint.
Dennoch muss ich festhalten, dass Frankreich keine 48 Stunden nach den Terroranschlägen in Paris mit zehn Jagdbombern, die insgesamt 20 Bomben abwarfen, die "Hochburg des IS in Rakka" angegriffen hat.
Schauen wir uns Ar-Raqqa an: Eine Stadt mit ursprünglich etwa 200.000 Einwohnern, wo aber seit 2013 etwa 800.000 Flüchtlinge vermutet werden. Eine Stadt mit Altertümern und einer langen Geschichte an Besetzungen. Eine dicht besiedelte Stadt. Mit 20 Bomben, die natürlich nur ein Munitionslager und eine Ausbildungsstätte des IS getroffen haben.
In welche Richtung werden wohl die zivilen Einwohner Rakkas radikalisiert werden? Wohin wären wir radikalisiert worden, wenn Bomben auf Häuser in Belgien abgeworfen worden wären, weil dort die Zentrale der Terroranschläge vermutet wird?
Ich erkranke am Wahnsinn dieser Zeit.