Ich würde mal sagen, es geht niemanden an und ist uninteressant für den Verlauf der Erkrankung, wie lange der Sohn gestillt wurde oder wie die Schlafgewohnheiten des Kindes sind. Die Frau hat offenbar eine schwere Depression, das Medikament Seroquel gibt man nicht einfach mal so. Wie bereits erwähnt, man macht es sich oft als Außenstehender ziemlich leicht mit Aussagen wie: "die soll sich doch mal zusammenreissen" oder "die macht das doch mit Absicht, um nicht arbeiten zu müssen". Die Betroffenen würden in den allermeisten Fällen viel darum geben, wieder ein "normales" Leben führen zu können.
Insofern bleibt eigentlich nur die Frage, welche Möglichkeiten man als Ehemann hat und diese sind durchaus mit diversen, zu erwartenden Schwierigkeiten gepaart.
Möglichkeit 1: man nimmt die Erkrankung des Ehepartners ernst, vergisst sich dabei aber selber und gefährdet seine eigene Gesundheit.
Möglichkeit 2: man nimmt die Erkrankung des Ehepartners ernst, sorgt aber mit verschiedenen Hilfen für seine eigenen Bedürfnisse (und in diesem Fall auch die des Kindes) und für seine eigenen Zeitfenster. Dazu muss man aber eben verschiedene Hilfen in Anspruch nehmen und sich trotzdem darüber klar sein, dass man vermutlich niemals eine "normale" Ehe führen wird.
Möglichkeit 3: man verlässt den kranken Partner. Dessen Prognose wird dann wahrscheinlich so sein, dass der/die Erkrankte irgendwann mal in einer betreuten Wohnform landen wird und als Tätigkeit vielleicht 2 Stunden am Tag ein bißchen Teile zusammensteckt in einer gemeinnützigen Werkstatt (durchaus schon mehrmals erlebt in der Praxis. Im schlimmsten Fall kommt es zu einem Suizid, weil dem Erkrankten mit dem Fehlen der Familienstruktur einfach der Rest wegbricht. Natürlich kann man dem gesunden Partner nicht pauschal die Schuld dafür geben, aber ich denke, eigene Schuldgefühle sind dann nachvollziehbar da).
@Resilienexperte:
Der Titel deines Ausgangspostings hieß ja: "von psychisch kranker Frau trennen?"
Es stellt sich für mich die Frage, ob du das wirklich in Erwägung ziehst. Du schreibst, wenn auch belastet, doch eigentlich nicht lieblos über deine Frau. Ich habe den Eindruck, du bist selber am Rand deiner Kräfte, aber dir liegt schon noch an ihr?
Solltest du Möglichkeit 2 in Erwägung ziehen, mir sind noch folgende Hilfsangebote eingefallen, die vielleicht das Familienleben erleichtern könnten. Man (der behandelnde Psychiater) könnte jetzt einleiten:
- eine stationäre psychosomatische Behandlung (keine Reha), wobei ich eigentlich fast mutmaße, dass der letzte Aufenthalt bereits dieses war. Eine Reha würde nämlich maximal 7 Wochen dauern und irgendwo stand was von drei Monaten.
- einen tagesklinischen Aufenthalt, damit die Frau mal wieder mehr Tagesstruktur bekommt, aber trotzdem nicht ganz weg ist von der Familie.
- einen Antrag auf Soziotherapie beim zuständigen sozialpsychiatrischen Dienst. Das ging früher nur, wenn psychotische Symptome dabei waren und ist jetzt gelockert worden, kann also auch bei einer schweren Depression verordnet werden. Heißt einfach: Unterstützung, noch jemand, der kommt und bei Alltagsschwierigkeiten hilft.
- Thema Haushaltshilfe durchüberlegen, ggf. beim Jugendamt.
- vielleicht geht ein Kompromiss mit deiner Frau? Du könntest einen Urlaub mit deinem Sohn planen und in dieser Zeit geht sie nochmal für ein paar Wochen stationär? Möglicherweise kann auch der Therapeut auf sie einwirken, dass du diese Zeit einfach brauchst, um selber wieder Kraft zu tanken (was ja stimmt)
- vielleicht kann der behandelnde Psychiater nochmal die Medikation überdenken? Seroquel macht ja oft müde und energielos. Hat man denn mal den Seroquel-Spiegel im Blut getestet? Manche Menschen verstoffwechseln extrem gut und man sollte dann die Dosierung anpassen. Oder man kombiniert Seroquel mit einem anderen Medikament. Wenn sie Seroquel abends nimmt, könnte man unter Umständen mit der Gabe von Escitalopram morgens eine Verbesserung erreichten. Natürlich muss der Psychiater das entscheiden, wir haben in der Praxis des Öfteren diese Kombination. Wichtig wäre dann ein regelmäßiges EKG wegen möglichen QTc-Verlängerungen.
- Ich rate nach inzwischen vermehrt auftretenden Fällen in der Praxis auf jeden Fall (auch auf eigene Rechnung, falls der Arzt sich sträubt) den Vitamin D Spiegel (25-OH-Vitamin D) bestimmen zu lassen. Da gibt es viele neue Studien, dass sehr oft bei solch schwierigen Verläufen ein Mangel besteht. Wir haben das jetzt bei einigen Patienten getestet und erstaunlich viele Treffer, man kann es kaum glauben. Ich hoffe mal, deine Frau hat auch tatsächlich einen behandelnden Psychiater und nicht "nur" einen Psychotherapeuten. Der Hausarzt sollte auf keinen Fall mit der Medikation rumdoktern.